Die rosa Bambi-Verleihung

Lüneburg statt Londonderry, dafür mit Intermezzo des schwulen Bürgermeisters: Auf dem Europride macht Ole von Beust angestrengt fröhlich auf Du und Du mit den Dragqueens der Partyrepublik

aus Hamburg Peter Ahrens

Was bedeutet das, wenn ein schwuler, aber ebenso konservativer Bürgermeister beim Christopher Street Day mitmarschiert und die Schirmherrschaft übernimmt? Anzeichen für das endgültige Ankommen der Schwulen-Lesben-Demo in der Hamburger Event- und Standortlandschaft oder Symbol für die gesellschaftliche Akzeptanz bis tief in bürgerliche Kreise? Wahrscheinlich beides – aber mit deutlicher Tendenz zum Ersten. Beim Europride, dem europäischen Christopher Street Day, führte das Auftauchen von Hamburgs CDU-Bürgermeister Ole von Beust unter dem einen oder anderen in der schwullesbischen Community jedenfalls zu Symptomen, die man eher dem Osterfest zuordnen möchte. „Ich hätte ihn beinahe angefasst, aber einer der Bodyguards hat dann meinen Arm abgewehrt“, schwärmte ein Paradeteilnehmer seiner Begleitung von seiner Erweckungserfahrung der banalen Art vor.

So wandelte von Beust mit angestrengter Fröhlichkeit und leicht verkniffenem Gesicht in der Schar seiner in Freizeitkleidung aufgehübschten Leibwächter zum Auftakt der Parade im Stadtteil St. Georg ein paar hundert Meter lang mit, bevor er sich schleunigst verzog und das Feld der politischen B-Prominenz überließ, zu der mittlerweile auch Noch-SPD-Landeschef Olaf Scholz wieder abgestiegen ist. Das von-Beust’sche Intermezzo am Beginn des Zuges, stets fotogen umrahmt von Dragqueens verschiedener Form und Farbe, reichte aber aus, um der Parade aus medialer Sicht den Ereignischarakter zu verpassen, den ein europäischer CSD an sich verdient hätte.

Wenn es denn nun ein Europa-CSD gewesen wäre. Das, was sich Europride nannte, ließ zumindest auf der Parade den internationalen Aspekt komplett unberücksichtigt. Die Gäste kamen wie ehedem aus Lüneburg und Lübeck, Braunschweig und Hannover, aber nicht aus Vilnius und Warschau, Porto, Rovaniemi oder Londonderry. Der Europride hatte sich thematisch als Ergänzung zur EU-Osterweiterung angekündigt, auf dem Zug war davon so gut wie nichts zu spüren.

So zogen an den Straßen der Hamburger City die Event-Versatzstücke vorbei, die man erwarten darf: Einen Tag vor der Europawahl hatte sich gar die CDU einen kleinen Paradewagen gegönnt, GAL, FDP und SPD sind ohnehin Stammgäste in der Parade. Die ihrem Anspruch als politische Demonstration immerhin in Teilen gerecht wurde. Die Frauenhäuser protestierten unter dem Banner „vorne läuft Ole, den Frauenhäusern fehlt die Kohle“ gegen die aktuellen Kürzungspläne des Senats in der Frauenpolitik, und die Junglesben propagierten die Schaffung eines eigenen Zentrums. Zwischen den mächtigen Trucks, die die Gay-Discos angemietet, mit den Sponsoren aus Tabak- und Alcopopindustrie bepflastert und mit Nena beschallt haben, setzten sie damit die politischen Kontrapunkte. Dazwischen wie jedes Jahr jene, die den Tausenden am Wegesrand die vermeintlich bizarre Note der Veranstaltung verleihen: Die Lack-und-Leder-Fraktion, die SM-AktivistInnen, die Bi-Abteilung.

Von Beust hat verlautet: „Hamburg kann stolz sein auf diese großartige Veranstaltung.“ Das sagt er über die Bambi-Verleihung auch.