fußpflege unter der grasnarbe
: Mönchsschweiß im Volkspark

Es geschah in der 39. Minute. Vom linken Flügel – war es Roberto Carlos? – segelte der Ball weit und hoch vor den Strafraum der Franzosen, ein Abnehmer stand bereit. Doch da flog, wie in einem dieser aktuellen Kicker-Werbespots, plötzlich das Fabel-Wesen mit der Mönchs-Tonsur heran. Es stoppte den Ball im Sprung, eine halbe Drehung gegen die Laufrichtung vollführend, so sanft mit der Brust, als wäre er ein Wattebausch. Der fiel auf den rechten Fuß, der ihn – links am Gegner vorbei – zu einem Mitspieler passte. All das in Sekundenbruchteilen einer makellos fließenden Bewegung.

War das noch Fußball? Oder schon Ballett? Vermutlich beides. Einem Tänzer gleich schiebt Zinedine Zidane die Illusion von Leichtigkeit vor die Evidenz harter Arbeit, auf seiner Bühne, die mal wieder das „Stade De France“ in Paris war. Doch schöner als an diesem Abend war noch nie zu sehen, wie ein großer Künstler unfreiwillig seinen eigenen Mythos untergräbt. Denn das Trikot von Zidane war zum Zeitpunkt seiner eingesprungenen Pirouette mit Ball längst ganz dunkelblau geworden. Vor Schweiß. Schon um die 15. Minute herum sah sein Hemd aus, als hätte man den Mann geradewegs unter der Dusche hervorgezogen. Zu seinem 100-jährigen Bestehen war der Fußballweltverband nämlich der glorreichen Idee verfallen, Franzosen und Brasilianer zum Jubiläumsspiel in Trikots wie von anno dunnemals (auf)laufen zu lassen. Schwere Baumwolle statt leichter Synthetik-Faser, die menschlichen Makel tilgt.

Doch egal welcher Zwirn: „Zizou“ nährt die Utopie eines Spiels, das immer noch über sich selbst hinauszuweisen vermag. Trotz VIP-Kloaken, silbernen Toren und Verbandsoberen, die Spielern vorschreiben, wie sie zu jubeln haben, und Fans, dass sie nicht mehr stehen dürfen. Wo einst, in den selig-verklärten 70ern, ein Günther Netzer noch in die Tiefe des Raumes stoßen konnte, erhebt sich Zidane über dessen Enge im modernen „Wir-sind-alle-da-wo-der-Ball-ist“-Spiel. Meine zwei Lieblingsfotos, beide aus der letzten Champions League-Saison. Zwei ManU-Spieler, verzweifelt grätschend links und rechts zu seinen Füßen.

Zidane, kurz vorm Abheben, fixiert den vorausfliegenden Ball, den er selbst dann zu kontrollieren scheint, wenn er erst einen Augenblick später wieder an seinem Fuß klebt. Das andere Bild: Zwei Bayern-Spieler im Luftkampf um den Ball, einen Meter daneben auf dem Boden Zidane, der die Szene verblüfft und leicht amüsiert beobachtet, so als wolle er sagen: Kinder, was macht ihr denn da? Das wäre jetzt aber nicht nötig gewesen... Beim zumindest für den HSV legendären 4:4 in der Champions League im September 2000 gegen seinen damaligen Verein Juventus Turin hatte er weniger lichte Momente. Es war eher die Stunde der Strafraum-“Schlange“ Filippo Inzaghi (3 Tore). Hat Zidane überhaupt mitgespielt? Beim Rückspiel (3:1 für den HSV) flog er jedenfalls schon in der 29. Minute nach einer Kopfnuss gegen Kientz vom Platz.

Kientz? Richtig, den hatte ich auch schon vergessen. Einen Zauberer wird man nie vergessen, auch wenn er mal eine Kunstpause braucht und cholerisch reagiert. Hoffentlich nicht gestern Abend. Gegen Beckham und seine Engländer. Auf alle Fälle wird Zidane kräftig geschwitzt haben und seine Körperflüssigkeit bald als Heilwasser verkauft.