Kleinwagen jetzt groß im Kommen

Erstmals entdecken die US-amerikanischen Verbraucher die Vorzüge der Kleinwagen. Zwar ist damit noch kein Paradigmenwechsel im Autoland Nummer eins verbunden. Dank des hohen Ölpreises aber wird Europa zum Vorbild

AUS WASHINGTONMICHAEL STRECK

„Small is beautiful“ – sicherlich für die Autonation Nummer eins der Welt eine ungewohnte Einsicht. Aber angesichts des hohen Benzinpreises machen sie sich immer mehr Autofahrer der Vereinigten Staaten zu Eigen. Da es sich zudem rumzusprechen scheint, dass der kostbare Lebenssaft aufgrund der rasant gestiegenen Nachfrage in China und anderswo in Zukunft wahrscheinlich nie mehr so billig sein wird wie einst, findet bei den Verbrauchern ein langsames Umdenken statt.

Der Absatz von Geländewagen brach erstmals zwei Monate in Folge ein, nachdem ihr Siegeszug auf Amerikas Straßen scheinbar unaufhaltsam schien. Stattdessen erobern jetzt plötzlich Hybridfahrzeuge aus Japan den Markt. Ihr Verkauf erhöhte sich allein in diesen Jahr um 36 Prozent. Toyota plant aufgrund der hohen Nachfrage 47.000 statt 36.000 Wagen seiner Erfolgsmarke Prius dieses Jahr einzuführen – die Wartezeit beträgt in manchen Städten mittlerweile bis zu acht Monaten. In Florida stellte die Polizei in Marin County auf Hybrid um. „Wir verbrauchen seither 60 Prozent weniger Sprit“, freut sich Sheriff Robert Crowder.

Auch andere Kleinwagen wie der Mini-Cooper von BMW gehen weg wie warme Semmel. Angespornt von dieser Entwicklung, könnte ab kommenden Herbst sogar der „Smart“ von Mercedes auf den Straßen von New York, Boston, San Francisco und Washington rollen. Das Interesse an dem Auto ist so groß, dass eine Firma bis zu 10.000 Stück importieren will, und zwar bevor die offizielle Markteinführung geplant ist.

Nun bedeutet all dies nicht, dass den USA eine Automobilrevolution bevorsteht. Aber in einem Land, wo „Trucks“ und „Big Cars“ zum essenziellen Bestandteil des American Way of Life gehören und wo noch vergangenes Jahr republikanische Kongressabgeordnete in der Parlamentsdebatte über die Energiepolitik den „Smart“ als Spielzeugauto verspotteten, kündet der Vormarsch der Kleinwagen von Anzeichen eines Klimawechsels.

Neidvoll blickten Kommentatoren in den vergangenen Wochen über den Atlantik, wo Europäer immer noch die „besten, sichersten, sparsamsten und kleinsten Wagen fahren“ würden, wie die Washington Post feststellt. Und konstatierte, dass auch hierzulande die Nachfrage mittlerweile groß sei.

Wie immer wurde auf die mächtige US-Autolobby geschimpft, die im Verein mit wohl gesinnten Abgeordneten im Kongress höhere Qualitätsstandards bislang zu verhindern weiß. Angeklagt wurde zudem die Gewerkschaft der Autobauer, die den Import von im Ausland produzierten Fahrzeugen amerikanischer Unternehmen – zum Beispiel die hier nicht produzierten kleinen Ford-Modelle – zu verhindern sucht, da sie den Verlust von heimischen Arbeitsplätzen befürchtet.

Immer mehr Experten sehen daher die Lösung vor allem in höheren Benzinsteuern, die den Spritpreis verteuern. Sie verweisen wiederum auf Europa, wo dieser Druck zum sparsamen Kleinwagen geführt hat. „Benzin muss teurer werden, um den Umstieg auf andere Energieträger und effizientere Autos voranzutreiben“, fordert die Zeitung Christian Science Monitor. Undenkbar, dass Präsident Bush sich für diese Idee begeistert. Ebenso unwahrscheinlich, dass Herausforderer John Kerry sich ihrer im laufenden Wahlkampf annimmt. Doch Kerry hat sich ein radikales Ziel auf die Fahnen geschrieben: Die USA unabhängig vom Öl aus dem Nahen Osten zu machen, den Benzinverbrauch der US-Fahrzeugflotte drastisch zu senken und den Anteil erneuerbarer Energien bei der Stromversorgung auf 20 Prozent bis zum Jahr 2020 zu erhöhen. Ohne steuerlichen Anreiz und Druck werde dies nicht durchzusetzen sein, glauben Meinungsmacher. Sie glauben jedoch auch, dass der Wähler heute viel eher vom Sinn höherer Benzinsteuern überzeugt werden kann, wenn die Regierung Energiepolitik und Nationale Sicherheit geschickt verknüpft.