Wir geben Nachrichten ein Gesicht

Editorial

„Die Begegnungen und besonders die Schilderungen persönlicher Schicksale der BosnierInnen in Srebrenica haben uns erschüttert. Solche Berichte bekommen damit ein Gesicht, das sich ins Gedächtnis eingräbt – mehr, als es gedruckte Nachrichten je imstande sind.“ Dr. Heribert Kohl

Das erste Mal kam die Idee, als ich Anfang der 90er-Jahre einer Europaabgeordneten für einen Kurztrip nach Marokko Kontakte zu Frauen- und Menschenrechtsgruppen organisieren sollte. Viele Aktivistinnen der gerade aufblühenden Gruppen hatte ich bei Projekten mit der marokkanischen Autorin und Soziologin Fatima Mernissi kennengelernt. Sie waren gewohnt, ab und zu für Konferenzen nach Europa eingeladen zu werden. Jetzt waren sie erfreut, dass jemand aus Europa sich für ihre Arbeit, für ihre Sicht der Dinge interessierte und dafür auch noch extra nach Marokko reiste. Das wollten sie gerne häufiger.

Und tatsächlich organisierte ich dann Mitte der 90er-Jahre drei Gruppenreisen, ausschließlich in die politischen Zentren Rabat und Casablanca, ohne besondere touristische Abstecher. Das Programm war viel zu dicht – hatte ich doch meine eigenen Recherchereisen zum Vorbild genommen: von einem Gespräch zum nächsten, um die Zeit möglichst effektiv zu nutzen. Das Programm wurde deshalb bei jeder weiteren Reise etwas gestutzt, Pausen zur Entspannung eingebaut.

Als die taz 2007 dann Leserreisen organisierte, formte sich die Idee von „Reisen in die Zivilgesellschaft“: Warum nicht das weltweit gut ausgebaute Mitarbeiternetz der taz nutzen? Ihre Korrespondenten haben in vielen Ländern persönliche Kontakte zu Menschen, die in zivilgesellschaftlichen Initiativen und Projekten mitarbeiten. Diese kennen ihr Land am besten, ihre Erfahrungen kann man auf „taz-Reisen in die Zivilgesellschaft“ kennenlernen: Urlaub plus Begegnungen mit Menschen, die in ihrer Gesellschaft etwas bewegen.

Ein Angebot für alle, die im Urlaub nicht nur Landschaft, Architektur und Kulturdenkmale, sondern auch die Dynamik fremder Gesellschaften kennenlernen wollen. Ein Angebot für Neugierige, die zivilgesellschaftliche Aktivitäten wertschätzen.

„Obwohl ich als Lehrer, der den Nahostkonflikt über mehrere Jahre mit Geschichtsleistungskursen intensiv behandelt hat, glaubte, gut informiert zu sein, hat diese Reise viele neue Eindrücke und Erkenntnisse gebracht.“ Werner Kleine

Im Jahr 2008 bot die taz die ersten „Reisen in die Zivilgesellschaft“ an, mit Reiseveranstaltern, die Experten für die jeweiligen Länder sind. Fünf Reisen haben stattgefunden, alle zur Zufriedenheit der TeilnehmerInnen. Für 2009 haben wir die Reiseziele erweitert. Einige sind primär politisch orientiert: etwa das Kosovo oder auch Palästina/Israel, andere locken auch mit touristischen Highlights: etwa Marokko, Ägypten oder Brasilien; aber immer mit Kontakten zur Zivilgesellschaft: Darunter verstehen wir ein breites Spektrum von kulturellen, sozialen oder ökonomischen Initiativen von engagierten Bürgern, in jedem Land anders und spezifisch. Kostproben davon erzählen einige unserer ReiseleiterInnen auf den folgenden Seiten.

Ein Schwerpunkt der Reiseziele sind muslimische Länder rund um das Mittelmeer. Gerade hier eröffnen die Kontakte Einblicke in die Vielfalt dieser Gesellschaften, wie sie bei reinen Sightseeingtouren unmöglich sind. Ein weiterer Schwerpunkt sind die Reisen nach Lateinamerika. Drei Reisen bieten wir in Kooperation mit medico international an und besuchen medico-Projekte vor Ort: in Palästina, Brasilien und Nicaragua/El Salvador.

Solche Kooperationen mit anderen Organisationen, die ebenfalls ein weltweit ausgebautes Mitarbeiternetz besitzen, sollen in den nächsten Jahren verstärkt werden.

Diese Art des Reisens ist für alle Beteiligten eine Übung in interkultureller Kommunikation. Mit dem neuen Angebot stellt sich die taz auf die veränderten Möglichkeiten ihrer LeserInnen ein, die mobil sind und sich in fremden Länder selbst informieren wollen: taz-Reisen in die Zivilgesellschaft geben Nachrichten ein Gesicht.

„Habe nun Blut geleckt und bin bereit, jederzeit an einer späteren taz- Reise teilzunehmen – wenn Ziel und Programm passen.“ Wolf Eckert

THOMAS HARTMANN

Alle Infos zu den Reisen (Programme, Preise, Leistungen etc.) finden Sie unter: www.taz.de/tazreisen