Fußball-Karaoke im Waschsalon

Im Kölner Cleanicum dreht sich die Welt in diesen Tagen weniger um die Wäschetrommel als um den Fußball. Künstler und Amateure kommentieren EM-Spiele, die auf Videoleinwand gezeigt werden

Von Oliver Minck

Schnauze voll von den immer selben Fußballkommentatoren? Von den Standardfloskeln der Dellings, Fassbenders und Wontorras? Das Kölner Cleanicum schafft Abhilfe: mit seiner „Zurück ins Funkhaus“-Reihe. In dem Waschsalon auf der Brüsseler Straße dreht sich in den nächsten Tagen die Welt weniger um die Wäschetrommel als um den Fußball. Der Auftrag bleibt jedoch derselbe: Es geht um Frische.

Acht Spiele der Fußball-EM in Portugal werden auf Großleinwand gebeamt. Die Stadionakustik bleibt erhalten, der eigentliche Kommentator wird über eine spezielle Software einfach herausgerechnet. So entsteht Platz für neue Inspirationen.

Die sollen 12 Nachwuchskommentatoren liefern, die in drei Vorrundenspielen und einem Endspiel gegeneinander antreten. Wer weiterkommt, entscheiden Publikum und Jury in einem paritätischen Abstimmungsverfahren. Für die verbleibenden vier Spiele werden fachfremde „Star“-Kommentatoren aus dem Autoren- und Comedybereich wie Michael Birbaek und Sonja Kling auf das Mikro losgelassen.

Schweiz gegen Kroatien war am Sonntag das Auftaktspiel für den Kommentatoren-Contest. Erste Erkenntnis: Im Cleanicum ist von bodenständig proletarischer Atmosphäre keine Spur. Der weitläufige Waschsalon ist im hippen Retro-Design ausgestattet und dient zugleich als Internetcafe, Lounge und Bar.

Entsprechend ist die Kundschaft. Die gleichen Leute könnte man auch in der RTL-Betriebskantine vermuten. Weniger souverän ist hingegen die Tonanlage: Hohes Konzentrationsvermögen ist gefordert, will man die Verbalakrobatik der Nachwuchshoffnungen in ihrer Gänze goutieren. Die sind allesamt männlich, um die 30, und, äußerlich betrachtet, deuten weder Günter Netzer-Frisuren noch Waldemar Hartmann-Schnäuzer auf besondere Fußball-Fachkompetenz hin.

Markus ist als erster dran. Ähnlich blutleer wie der Kick auf der Leinwand sind seine Ausführungen. Schnell wird klar: Wenn auf dem Platz nichts passiert, ist der Mann am Mikro mehr denn je gefragt. Das Publikum reagiert verhalten, die Ausführungen von Markus drohen im allgemeinen Geplappere unterzugehen. Markus aber lässt sich nicht beirren und hält eisern durch.

Jan und Robert sind da schon deutlich spritziger, wissen zudem durch Fachkompetenz zu beeindrucken. Beide haben große Fanblöcke am Start, die sich beim Beifalls-Ted mächtig ins Zeug legen. Hilft aber nichts. Gesucht werden schließlich Wontorra-Alternativen und keine Imitatoren. Robert nimmt die Niederlage olympisch: „Es war auf jeden Fall witzig, eine erste Erfahrung, das kann man öfter mal machen.“ Einen tatsächlichen Einstieg ins professionelle Kommentatoren-Geschäft verspricht sich hier ohnehin niemand wirklich.

Der Sieg und die damit verbundene Finalteilnahme geht dann an Startnummer vier: Tobias Scholz. Von Fußball hat der Junge, der in Optik und Mimik ein wenig an Mr. Bean erinnert, wenig Ahnung – und das kommt ihm zu Gute. Tobias bemängelt den „klassischen Angsthasenfußball“ der Kroaten und warnt vor den „berüchtigten Schweizer Hooligans, die auch beim alpinen Ski-Abfahrtslauf regelmäßig für Ärger sorgen“. Große Entzückung beim Publikum. Der Gewinner kann sein Glück kaum fassen: „Ich habe mich ja höchstens drei Stunden darauf vorbereitet, überwiegend über den kroatischen Wasserfußball eigentlich.“ Hat wohl gereicht. Und wie bereitet sich Tobias aufs Finale vor? „Gar nicht.“

Nächste Termine im Cleanicum, Brüsseler Str.74-76: Nachwuchsmoderatoren-Contest: 16. und 18.6., 18 Uhr; Finale 24.06., 20.45 Uhr; Künstlermoderation: 17.6. Lars Leese, 20.6. Maria Faust, Jens Rosskothen, 22.6. Michael Birbaek; jeweils 20.45 Uhr