Zehn Kilo Uran sind verschwunden

Die Internationale Atomenergiebehörde legt ihren Bericht zu der Anlage Tuwaitha im Irak vor. Dort hatten Plünderer Fässer gestohlen. Doch viele wurden vorher geleert

Die Inspektoren der IAEA fanden in Tuwaitha ein völliges Durcheinander vor

BERLIN taz ■ Der größte Teil des nach dem Irakkrieg angeblich verschwundenen Urans ist nach wie vor vorhanden. Dies ist die Quintessenz eines gestern vorgelegten Berichts der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien. Unmittelbar nach dem Krieg war man davon ausgegangen, dass Plünderer bis zu einem Fünftel des Materials verschüttet oder gestohlen hatten.

Die Inspektoren der IAEA wurden von der US-Militärveraltung vom 7. bis 23. Juni in den Irak gelassen (www.iaea.org/worldatom). Sie untersuchten die so genannte Location C im Tuwaitha-Atomkomplex südlich der Hauptstadt Bagdad. Dort sind in zwei Gebäuden Uranverbindungen aller Art gelagert – vom fertigen Urandioxid für Brennstäbe von Atomreaktoren bis zu diversen Zwischenprodukten. Es handelt sich überwiegend um Pulver, die in Fässern gelagert waren.

Nach der Niederlage der irakischen Armee wurden die beiden Lagergebäude in Tuwaitha ebenso geplündert wie andere Gebäude mit radioaktiven oder für den Atomkreislauf benötigten Materialien im Irak. Manche Gebäude wurden auch von der US-Luftwaffe zerstört.

Die Inspektoren der IAEA fanden in Tuwaitha ein völliges Durcheinander vor: Ihre beim letzten Besuch im Dezember 2002 angebrachten Siegel an den Eingängen waren aufgebrochen. Der Boden vor allem im Gebäude Nummer 1 sei übersät gewesen mit den verschiedenen Uranpulvern. „Viele Behälter fehlten, andere wurden ausgeleert“, heißt es in dem Bericht.

Die internationalen Experten versuchten soweit möglich die verschiedenen Pulverhaufen zu trennen und chemisch zu bestimmen. Daraufhin wurde alles wieder in Fässer gefüllt.

Dabei dürfte geholfen haben, dass die US-Armee in den umliegenden Dörfern auf die Suche nach den Fässern ging. Nach Angaben der US-Nachrichtenagentur Associated Press stahlen irakische Plünderer die Stahlbehälter, um darin Trinkwasser aufzubewahren. Die US-Soldaten würden sie zu einem Preis von drei Dollar wieder zurückkaufen, so AP.

Unterm Strich schätzt die IAEA, dass „mindestens zehn Kilogramm Uranverbindungen“ verloren gingen – zum Beispiel als Rückstände an den Wänden und in den Bodenfalten der 200 gestohlenen Fässer. Sowohl Menge als auch Art der Verbindungen seien aber nicht „sensitiv im Sinne der Weiterverbreitung von Atomwaffen“, so die Behörde in ihrem Kommuniqué.

Uranverbindungen der in Tuwaitha gelagerten Sorten für den Reaktorbetrieb sind nicht direkt für den Bau einer Atombombe zu verwenden. Dafür ist das Uran-Isotop U 235 viel zu gering angereichert. Es kommt in natürlichen Uranverbindungen mit einer Häufigkeit von unter 1 Prozent vor, typischerweise von 0,2 Prozent. U 235 wird für die Verwendung in Atomkraftwerken auf 3 bis 4 Prozent angereichert. Für den Bau einer Atombombe wie diejenige in Hiroschima muss der U-235-Anteil am Gesamturan jedoch über 90 Prozent liegen.

Eine solch hohe Anreicherung erfordert größere Anlagen mit komplizierter Technik und viel Strom. Für eine Uranbombe braucht man nach Expertenmeinung etwa 25 Kilogramm hochangereichertes Uran. Eine solche A-Bombe ist zwar technisch einfacher, jedoch unhandlicher und von geringerer Sprengkraft als eine vergleichbare Bombe mit Plutonium – so wäre sie etwa mit dem im Irak vorhandenen Raketen und Kampfflugzeugen kaum an ein Ziel zu bringen.

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