Wahl zwischen Nationalismus oder Europa

Der Ultranationalist Nikolić und der europafreundliche Kandidat Tadić bestreiten Stichwahl um Serbiens Präsidentschaft

BELGRAD taz ■ Ein knapper Sieg des Ultranationalisten Tomislav Nikolić, der politische Durchbruch des serbischen Milliardärs Bogoljub Karić, eine überzeugende Niederlage des Regierungskandidaten Dragan Marsicanin und eine geringe Beteiligung von rund 47 Prozent kennzeichneten am Sonntag die erste Runde der Präsidentenwahlen in Serbien.

Laut vorläufigem Endergebnis bestreiten die Stichwahl am 27. Juni der Nationalist Tomislav Nikolić mit 30,4 Prozent und der proeuropäisch orientierte Kandidat der Demokratischen Partei (DS) Boris Tadić mit 27,6 Prozent. „Ich werde Stimmen dazugewinnen, mein Kontrahent hat sein Maximum erreicht“, erklärte Nikolić, dessen Parteichef, Vojislav Šešelj, vor dem UNO-Tribunal in Den Haag der Prozess wegen Kriegsverbrechen gemacht wird. Nikolić nannte seine Kampagne ein Beispiel dafür, wie eine „arme“, aber „ehrliche“ Partei ohne Medienunterstützung „allein gegen alle“ erfolgreich kämpfen könne. Das Volk würde die „richtigen“ Patrioten erkennen.

Sichtlich erleichtert präsentierte sich Tadić, als die vorläufigen Endergebnisse zeigten, dass er doppelt so viele Stimmen bekommen hat wie seine DS bei den Parlamentswahlen im vergangenen Dezember. Man müsse eine „Radikalisierung“ Serbiens verhindern, erklärte Tadić. Der Sieg Nikolić’ würde eine internationale Isolation Serbiens bedeuten, Investoren abschrecken und eine tiefe politische Krise auslösen. Deshalb rechne er auf die „volle Unterstützung aller demokratischen Kräfte“.

Die politische Krise ist aber nach dem katastrophalen Ergebnis des Regierungskandidaten – mit nur 13,3 Prozent liegt Marsicanin an vierter Stelle – programmiert. Vizepremier Miroljub Labus spricht von einer „Umstrukturierung“ der Regierung oder vorgezogenen Parlamentswahlen. Die Juniorpartner der von Milošević-Sozialisten unterstützten Minderheitsregierung – „G 17“, SPO und NS – beeilten sich, Tadić in der Stichwahl ihre Unterstützung zuzusichern.

Andererseits zögern aber der konservative Premier, Vojislav Koštunica, und seine national orientierte Demokratische Partei Serbiens (DSS) noch, ihren Erzfeind Tadić in der Stichwahl zu unterstützen. Die DSS-Parteiräume waren gespenstisch leer in der Wahlnacht, kein Koalitionspartner kam, um Marsicanin nach der Niederlage zu trösten.

Eigentlicher Sieger ist Serbiens „Möchtegern-Berlusconi“ Bogoljub Karić. Mit 18,7 Prozent hat sich der unabhängige Kandidat als neuer politischer Faktor etabliert und die Gründung einer eigenen Partei angekündigt. Der steinreiche Ex-Hausfreund von Slobodan Milošević sieht sich schon als Minister einer künftigen, vom Willen seiner Partei abhängigen Minderheitsregierung. Karić’ Motive sind einleuchtend: Durch politischen Einfluss will er seine in letzter Zeit gefährdeten finanziellen Interessen schützen. ANDREJ IVANJI