Sühne für La Belle verlangt

Bundesgerichtshof verhandelt ab heute über Anschlag auf Berliner Diskothek, der Libyen zugeschrieben wurde. Staatsanwaltschaft will härtere Strafe für die vier Attentäter

BERLIN taz ■ Ab heute wird vor dem Bundesgerichtshof (BGH) über den vermutlich schwersten Terrorakt gegen US-Amerikaner in Deutschland verhandelt: den Bombenanschlag auf die Berliner Diskothek La Belle im Jahr 1986. Staatsanwaltschaft und Nebenkläger fordern härtere Strafen für die Attentäter der wohl in Libyen geplanten Tat. Das Landgericht Berlin hatte drei Männer und eine Frau zu Haft zwischen nur 12 und 14 Jahren verurteilt.

Am 5. April 1986 detonierte in der Diskothek La Belle eine Bombe. Die Disko wurde stark von US-Soldaten besucht. Es starben zwei Soldaten und eine türkische Migrantin. 230 weitere Besucher wurden (zum Teil schwer) verletzt. Anhand von Stasi-Unterlagen kamen die Ermittler nach der Wende in Ostdeutschland den Tätern auf die Spur. Nach einem vierjährigen Mammutprozess verurteilt das Landgericht Berlin im November 2001 die Deutsche Verena Chanaa zu 14 Jahren Haft. Sie soll in ihrer Handtasche drei Kilo Plastiksprengstoff in die Disko geschmuggelt haben. Ihr damaliger palästinensischer Mann Ali Chanaa, der Palästinenser Yasser Chraidi und der libysche Botschaftsmitarbeiter Musbah Eter wurden als Gehilfen zu 12 Jahren verurteilt. Sie sollen die Bombe zusammengebaut haben. Das Gericht begründete die relativ milden Strafen mit der schwierigen Beweislage.

Libyen wurde vom Landgericht eine „erhebliche Mitverantwortung“ für den Anschlag zugewiesen. Offen blieb aber, ob auch Staatschef Gaddafi von den Plänen gewusst hat. „Dafür spricht zwar einiges, es ließ sich aber im Prozess nicht sicher klären“, erklärte der Vorsitzende Richter.

Vermutlich war der Anschlag als Racheakt gegen die USA gedacht. Zwei Wochen zuvor hatten US-Kampfflugzeuge zwei libysche Militärschiffe im Mittelmeer versenkt. Die USA reagierte ähnlich. Präsident Ronald Reagan ließ zehn Tage später die Städte Tripolis und Bengasi bombardieren, um Gaddafi zu töten. Es starben mehr als 30 Zivilisten, darunter eine Adoptivtochter von Gaddafi.

Inzwischen bemüht sich Libyen um Wiederannäherung an den Westen. Gaddafi ließ die Opfer zweier Flugzeugattentate (über dem schottischen Lockerbie und über Niger) entschädigen. Und auch mit den La-Belle-Opfern stehen die Verhandlungen laut deren Anwälten kurz vor dem Abschluss. Direkten Einfluss auf das Strafverfahren haben die libyischen Goodwill-Gesten allerdings nicht.

Staatsanwaltschaft und Nebenkläger fordern nun, dass die vier Attentäter wegen Mordes jeweils zu lebenslänglicher Haft verurteilt werden. Der Prozess beim 5. BGH-Senat in Leipzig ist auf zwei Tage angesetzt. Das Urteil soll am 24. Juni verkündet werden. CHRISTIAN RATH