ANNEMARIE SCHWARZENBACH IN AFGHANISTAN

Zwei Frauen, ein Ford Roadster, eine Reise: Von Genf nach Istanbul führte sie, weiter über das Schwarze Meer nach Trabzon, von dort nach Teheran, nach Herat und Masar-i-Scharif, durch den Hindukusch und schließlich nach Kabul. Im Frühsommer 1939 brachen die Schweizer Schriftstellerinnen Ella Maillart und Annemarie Schwarzenbach auf, jene, weil sie in den abgelegenen Tälern Nuristans ethnologische Forschungen betreiben, diese, weil sie von ihrer Morphiumsucht loskommen wollte. Gut ein halbes Jahr später ging Schwarzenbach – zwischenzeitlich hatte sie sich von Maillart getrennt – in Bombay an Bord eines Schiffes, das sie zurück in ein von Grund auf verändertes Europa brachte. Zeugnis ihrer Reise legt ein Band aus dem Baseler Lenos Verlag ab: „Alle Wege sind offen. Die Reise nach Afghanistan“ – vor vier Jahren postum erschienen – versammelt Schwarzenbachs Reiseaufzeichnungen. Nun sind auch ihre Fotografien in gebündelter Form veröffentlicht. Sie finden sich neben denen Maillarts und denen Nicolas Bouviers, eines weiteren Afghanistan-Reisenden aus der Schweiz, in dem Bildband „Unsterbliches Blau. Reisen nach Afghanistan“ (hrsg. v. Roger Perret, Scheidegger & Spiess, Zürich, 270 Seiten m. zahlr. SW-Abb., 38 €). Karge Landschaften, fliegende Händler, Brotverkäufer in Kabul, Frauen mit und ohne Schleier, Nomaden in der Nähe des Kyberpasses (unser Foto): So wie die Texte Schwarzenbachs mal dokumentieren, mal sich elektrisch aufladen, so folgen auch die Schwarz-Weiß-Aufnahmen dem nüchternen Blick, um im nächsten Augenblick in Euphorie umzuschlagen: Euphorie angesichts der weiten Landschaft und der ins Endlose führenden Straßen. „Man spricht von Landstraßen,“ schrieb Schwarzenbach, „weil sie weit durch die Länder laufen, unendlich weit – manchmal so weit, dass man die Hoffnung aufgibt, sie hätten überhaupt eine Absicht und ein Ziel. Es ist wunderschön, auf ihnen unterwegs zu sein“. CN