Für 99 Cent alles ganz legal

Der Computerfabrikant Apple eröffnet nun auch in Europa seinen erstaunlich erfolgreichen Online-Musikladen. Die Konkurrenten sind nicht die Konkurrenten – sondern die freien Tauschbörsen

VON NIKLAUS HABLÜTZEL

Für seinen Auftritt hatte Steve Jobbs hatte in London ein ganzes Theater gemietet. 300 Journalisten lauschten der frohen Botschaft, die der Apple-Chef zu verkünden hatte: Apple öffnet seinen Online-Musikladen nun auch in Europa. Nachdem er in den USA die in ihrer Marktnische für teure Designercomputer ziemlich eingeschlafene Firma über Nacht wieder in die Schlagzeilen selbst der seriösen Wirtschaftspresse gebracht hatte, war das ohnehin zu erwarten.

iTune heißt das Erfolgsmodell nun auch auch hier, „i“ steht für „Internet“, und „Tune“ muss in diesem Fall nicht nur „Melodie“ heißen, sondern bezeichnet vor allem das, was Autofreaks schon immer unter „tunen“ verstanden haben. Apple hat weder das Internet noch die digitale Datenkompression erfunden. Die Grundlagen der Technik stammen aus dem Fraunhofer-Institut in Erlangen und sind derart populär geworden, dass es der gesamten Musikindustrie Angst und Bange wurde. Seit dem Durchmarsch der Tauschbörse Napster Ende der 90er-Jahre ist offensichtlich, dass genau die Pop-Massenware, die das große Geld einspielen soll, viel zu teuer auf den Markt kommt. Auch nach dem juristischen Ende von Napster sorgen heute andere Tauschbörsen dafür, dass praktisch jeder neue Schlager spätestens an dem Tag kostenlos aus dem Netz geholt werden kann, an dem er in die Läden kommt.

Diese Korrektur der immer noch überzogenen Preise für kommerzielle Musik-CDs ist volkswirtschaftlich überaus heilsam, und Steve Jobbs darf sich tatsächlich dafür rühmen, dass er seit letztem Jahr beharrlich versucht, diese Einsicht den Musikproduzenten nun auch praktisch beizubringen. Sein Angebot ist exakt auf die neuen Bedingungen eingestimmt: In seinem iTune kostet ein Titel 99 Cent – in den USA wie in Europa. Mehr gibt heute niemand für Musik aus, die in derselben Qualität mit nur unwesentlich größerer Mühe auch umsonst aus dem Internet geholt werden kann.

Dem Vernehmen nach sollen die Verhandlungen über die Vertriebsrechte an den heute 700.000 iTune-Titeln mit den großen Labels überaus zäh gewesen sein. Aber da es Apple danach in kürzester Zeit gelang, nennenswerte Anteile am gesamten Absatz der Branche in den USA zu erobern, können sich selbst die konservativsten Medienbosse nicht mehr auf Dauer der Einsicht verschließen, dass sie sich auf die Bedingungen des Onlinemarktes einlassen müssen. Sony hat bereits seinen eigenen Online-Laden für Musik angekündigt, andere Produzenten werden folgen, doch für Jobbs steht fest, dass er diesen Wettbewerb vorerst nicht zu fürchten hat. „Unsere einzigen Konkurrenten sind die Tauschbörsen“, stellte er auf seiner Pressekonferenz fest. Dieser Satz zumindest beschrieb die Realität zutreffend. Über den Erfolg von Apples Einstieg in das europäische Musikgeschäft entscheiden ausschließlich die europäischen User von Tauschbörsen.

Wenn es schief geht, dann ist nur eine neue Runde im Kampf der Konzerne und ihrer Anwälte gegen die freie Tauschszene eröffnet worden.

Anfang des Monats hat ein Gericht in Cottbus einen 23 Jahre alten Tauschbörsen-Nutzer zu 8.000 Euro Schadensersatz verklagt. Er hatte etwa 5.000 Titel im Angebot – kostenlos.