Grüne zittern vor Zuwanderung

Innenminister Otto Schily will das Gesetz heute mit den Unionspolitikern Beckstein und Müller unter Dach und Fach bringen. Grüne fürchten weitere Verschärfungen. Landesverbände fordern kleinen Parteitag vor endgültiger Abstimmung im Bundestag

VON LUKAS WALLRAFF

Die Euphorie der Grünen nach ihrem Erfolg bei der Europawahl könnte bald vorbei sein. Mit Sorge wird bei der kleinen Regierungspartei auf den Abschlusstext für das Zuwanderungsgesetz gewartet, den Innenminister Otto Schily (SPD) heute mit den Unionspolitikern Günther Beckstein (CSU) und Peter Müller (CDU) aushandeln möchte.

Wie aus grünen Kreisen verlautete, planen die drei Volksparteienvertreter weitere Verschärfungen, die über den Kompromiss zwischen Regierung und Opposition von Ende Mai hinausgehen. Schily, Beckstein und Müller wollten offenbar versuchen, den Ausweisungsschutz für in Deutschland aufgewachsene Migranten aufzuweichen, hieß es. Außerdem plane das Trio ein „restriktives“ Integrationskonzept. So sei bei der geplanten Eigenbeteiligung von Migranten an den Kosten für Integrationskurse bisher keine soziale Staffelung vorgesehen, dafür aber weitreichende Sanktionen bei Nichtteilnahme.

Offiziell hielten sich die grünen Bundespolitiker gestern noch zurück. „Wir haben an einigen Punkten Klärungsbedarf“, sagte Zuwanderungsexperte Volker Beck lediglich, ohne Details zu nennen.

Der bisherige Verhandlungsführer der Grünen ist an den abschließenden Gesetzesformulierungen nicht mehr beteiligt, die Schily, Beckstein und Müller heute vornehmen. Er werde aber vorher noch einmal mit Schily sprechen, kündigte Beck an. Er sei zuversichtlich, dass man die offenen Fragen „in der Koalition klären“ könne.

Darauf wollen sich jedoch nicht alle Grünen verlassen. Vor der für den 9. Juli geplanten Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzes in Bundesrat und Bundestag sei es „auf jeden Fall nötig, einen grünen Länderrat einzuberufen“, sagte der Fraktionschef der Berliner Grünen, Volker Ratzmann. „Es muss genug Zeit und Raum für die Partei bleiben, den endgültigen Gesetzestext zu prüfen“, forderte Ratzmann. Den von Parteichef Reinhard Bütikofer angekündigten „grünen TÜV“ könne nur das Gremium vornehmen, das Anfang Mai die grünen Kriterien festgelegt habe – also ein kleiner Parteitag. Ähnlich hatte sich bereits der NRW-Landeschef Frithjof Schmidt geäußert. Zur Einberufung eines Länderrats genügt es, dass ihn drei Landesverbände beantragen. „Es darf nicht sein, dass die Abgeordneten am Ende nur noch ja und amen sagen können“, sagte Ratzmann.

Auch der Interkulturelle Rat in Deutschland und die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl warnten gestern vor weiteren Verschärfungen. So stehe zu befürchten, dass die Praxis der „Kettenduldungen“ für Flüchtlinge entgegen den Ankündigungen von Rot-Grün nun doch nicht aufgehoben werde.