Der Hirte suspendiert das verlorene Schaf

Der Theologe Gotthold Hasenhüttl darf nicht mehr Seelsorger sein, weil er das Abendmahl mit Protestanten teilte

Gotthold Hasenhüttl muss – gottlob – nicht auf den Scheiterhaufen. Die Heilige Inquisition schuf das Autodafé für Abweichler schon im 18. Jahrhundert ab. Der emeritierte Theologieprofessor und katholische Priester aus Saarbrücken wurde gestern lediglich suspendiert – für seinen „eklatanten Verstoß gegen geltendes Kirchenrecht“, so der Stellvertreter des Papstes im deutschen Bistum Trier, Weihbischof Reinhard Marx.

Inwieweit die seelsorgerische Tätigkeit des 69-Jährigen dadurch genau eingeschränkt wird, hat Marx allerdings noch nicht festgelegt. Hasenhüttl hatte es am 29. Mai auf dem Ökumenischen Kirchentag in Berlin gewagt, gemeinsam mit ketzerischen Protestanten die heilige Kommunion zu feiern.

Für Bischof Marx, der in seiner Diözese bislang auch von Laien als liberal apostrophiert wurde, war die ökumenische Eucharistiefeier eine „verbotene Gottesdienstgemeinschaft“. Hasenhüttl wurde nach Trier einbestellt und sollte eine vorbereitete Erklärung unterzeichnen: Verzicht auf zukünftige Eskapaden und Reue wegen des unerlaubten Abendmahls.

Der ehemalige Hochschullehrer an der Universität des Saarlandes kroch vor Marx nicht zu Kreuze. Man trennte sich im Unfrieden. Bis zum 16. Juli habe Hasenhüttl Zeit, sein Verhalten „zu bereuen“, gab Marx bekannt. Doch der setzte vorher noch brieflich einen drauf.

Inquisitorische Maßnahmen hätten dem Ansehen der Kirche immer geschadet, schrieb Hasenhüttl am Dienstag. „Die ultimative Forderung nach bedingungsloser Reue und blindem Gehorsam entspricht in keiner Weise dem, wofür ich in meinem Leben als Priester und Theologe gearbeitet und gekämpft habe.“

Er jedenfalls bleibe bei seiner Auffassung, wonach die Liebe, die auch den Gegner einschließe, das „höchste Gebot der Botschaft Jesu“ sei. Dieses Gebot verletze Marx, weil er die „Menschensatzung“ – also das Kirchenrecht – vorziehe. „Wenn Gleichschaltung und nicht Einheit in Vielfalt Ihre Vorstellung von der Ausübung Ihres Hirtenamtes ist, werden Sie mich wohl als verlorenes Schaf betrachten müssen, dem Sie Ihre Obhut nicht mehr angedeihen lassen werden.“

Marx reagierte umgehend. Mit der Suspendierung bleibt „das Schaf“ wohl jetzt verloren – für die Amtskirche.

Ruhe gibt Hasenhüttl allerdings so schnell nicht. Eine Beschwerde gegen die verhängte Suspendierung hat er bereits angekündigt. Vor einer Entscheidung des Vatikans denkt der Priester nicht daran, sein Amt als Seelsorger ruhen zu lassen.

Marx werde es ohnehin schwer fallen, ihn endgültig zu disziplinieren, sagte Hasenhüttl schon im Juni. Er lebe zwar in Saarbrücken, sei aber eigentlich Priester im österreichischen Graz. Das kompliziere die Sache.

Außerdem habe er in Berlin nicht mit einem evangelischen Pfarrer „konzelebriert“, sondern einen katholischen Gottesdienst mit „offener Kommunion“ abgehalten. Dabei beruft sich Hasenhüttl auch auf den Papst, der in seiner Enzyklika „Ecclesia de Eucharista“ erklärt habe, dass es „in besonderen Fällen und für das Heil einzelner Christen“ geboten sein könne, die Kommunion auszuteilen, auch wenn diese Christen nicht der katholischen Kirche angehörten.

Ist jetzt Bischof Marx der Angeschmierte? Johannes Paul wird darüber zu entscheiden haben.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT