„Das funktioniert wie Homöopathie“

Gegen die Miniermotte scheint bisher kein Kraut gewachsen. Das Grünflächenamt Spandau macht jetzt Ernst und bezahlt 3.000 Euro für das Einsprühen von 30 Kastanien. Das Mittel: energetisches Wasser, gemischt mit Mottenasche

Ein wenig sieht er aus wie ein Feuerwehrmann, der auf seine Leiter steigt. Reiner Dietrich ist studierter Gartenbauingenieur und hat eine Mission: den Schutz der Rosskastanie. Schlimmster Feind des Baumes ist neben dem Menschen bekanntlich die Miniermotte, die noch keine Laubsammelaktion wirklich in Gefahr gebracht hat. Auch wenn diese im Herbst in verschiedenen Kiezen nahezu im Wochentakt ausgerufen wurden.

In einem Testlauf gehen Dietrich und seine Frau Claudia jetzt einen ungewöhnlichen Weg – öffentlich gesponsort vom Bezirk Spandau. Sie besprühen die Bäume mit „energetisiertem Wasser“, das mit veraschten Mottenlarven versetzt ist. Die Bäume würden dadurch gestärkt und könnten der Motte trotzen. „Das funktioniert wie Homöopathie“, sagen die beiden Baumschützer. Allerdings dürfe das Mittel nur an bestimmten Tagen angewendet werden, schließlich komme es auch auf die „kosmische Energie“ an. Zur Sicherheit meditieren sie vor dem Sprüheinsatz gemeinsam.

Die Mischung aus Wasser und Asche nennt sich „Salvacastanum“. Vetrieben wird sie seit 1998 von einer Firma in Bayern, die auf angeblichen Erfolge verweist. Werner Heitland von der Technischen Universität München hat einige Zweifel: „Es wurde nie nachgewiesen, dass das Zeug wirkt.“ Es sei beispielsweise der Mottenbestand verschiedener, klimatisch unterschiedlicher Jahre miteinander verglichen worden, obwohl der Befall stark von den Wetterbedingungen abhänge.

Beim Bundesministerium für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit kennt man das so genannte Pflanzenstärkungsmittel unter dem Namen „Cameraria Ohridelle“. Die Herstellerfirma hatte es 1998 registrieren lassen, später dann aber Rezeptur und Namen geändert. Beides muss genehmigt werden, vorher darf das Mittel nicht vertrieben werden – auch wenn es ungefährlich ist. „Versuchsmäßig darf es aber genutzt werden“, erklärt man im Ministerium, über die Wirksamkeit verlange man keine Nachweise.

Im Spandauer Bezirksamt hält sich der Glaube an das Wässerchen ebenfalls in Grenzen: „Gegen die Miniermotte müssen wir auch hoffnungslos erscheinende Versuche mitgehen“, erklärt der Leiter des Grünflächenamtes, das für den Testlauf im Münsinger Park zuständig ist. Man wolle sich nicht nachsagen lassen, dass man borniert sei. Unter der Regie des Pflanzenschutzamtes würden gleichzeitig andere Mittel getestet.

Die Aktion des Ehepaars Dietrich schlägt mit 3.000 Euro für 30 Bäume zu Buche. Einen Vorteil hätte die Methode jedenfalls: Energetisches Wasser mit Mottenasche ist garantiert ungiftig und biologisch abbaubar.

OLIVER TRENKAMP