Grüne beißen sich nicht mehr auf die Zunge

Mit dem neuen Schuldenplan ist für viele Grüne die Schmerzgrenze erreicht. Jetzt will die Führung nachverhandeln

BERLIN taz ■ Dass man sich als Vertreter einer Regierungspartei oft auf die Zunge beißen muss, ist auch den meisten Grünen klar. Bei jedem Beschluss laut aufzustöhnen, der nicht ganz dem eigenen Programm entspricht – das geht nicht, das verlangt auch keiner mehr. An unangenehme Kompromisse mit der SPD hat sich der Großteil der Partei in fünf Jahren Rot-Grün gewöhnt. Doch es gibt immer noch eine gewisse Schmerzgrenze. Mit der geplanten Neuverschuldung zur Finanzierung der vorgezogenen Steuerreform wurde sie erreicht.

„Fünf Milliarden neue Schulden – das ist zu viel“, schimpft Fraktionsvize Reinhard Loske. Das Potenzial beim Subventionsabbau sei „bei weitem noch nicht ausgeschöpft“, so Loske. Auch die HaushaltsexpertInnen der Grünen fordern deshalb Nachverhandlungen mit der SPD. Die Abgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig verlangt gar, die geplante Neuverschuldung „um die Hälfte“ zu senken. Zufrieden ist bei den Grünen niemand.

Schließlich geht es hier nicht um Details, sondern um die Glaubwürdigkeit der Grünen. Monatelang hatten sie mehr „Nachhaltigkeit“ gepredigt und gemahnt, der Staat dürfe die Kosten einer Steuersenkung nicht auf die nächste Generation abwälzen. Genau das aber stellte SPD-Finanzminister Eichel nun in Aussicht. Zum Ärger der Grünen ist der „Finanzierungsmix“ der Steuersenkung ganz anders ausgefallen, als es nach der Kabinettsklausur in Schloss Neuhardenberg den Anschein hatte.

Ein Drittel Subventionsabbau, ein Drittel Privatisierungserlöse und nur der Rest mit Neuverschuldung – darauf hatten sich SPD und Grüne in Neuhardenberg geeinigt. Nun kam es doch anders. Aus Sicht der Grünen heißt der Bösewicht aber nicht Hans Eichel. Sauer sind sie eher auf Sozialdemokraten wie Generalsekretär Olaf Scholz, die – anders als Eichel – die gesamte Steuerreform am liebsten ganz auf Pump finanzieren würden.

Manche grüne Landespolitiker beschleicht das Gefühl, ihre Führung in Berlin habe sich von der SPD überrumpeln lassen. „Ich hätte mir eine deutlich bessere Abstimmung gewünscht“, sagte der Landeschef von Baden-Württemberg, Andreas Braun, und fordert Nachbesserungen bis zur Kabinettsvorlage am 13. August. „Der Anteil des Subventionsabbaus muss noch erhöht werden“, findet auch NRW-Landeschef Frithjof Schmidt.

LUKAS WALLRAFF