Dieter Gorny hinterlässt lange Gesichter

Wenn es ums Feiern geht, werden die Kölner kämpferisch. Doch sie werden weder Musikmesse noch Popfestival zurückholen können

KÖLN taz ■ Die Kölner sind beleidigt. Viva- und zugleich Popkomm-Chef Dieter Gorny, der große Musik-Sohn der Stadt, kehrt dem Dom plötzlich den Rücken, um an die Spree zu gehen. Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) trennt sich sichtbar ungern, denn die größte Musikmesse der Welt, wie Köln selbst gern sagt, brachte ihm viele Fans und Fachleute, um die Stadtkasse zu füllen.

Angeblich habe Gorny die Gespräche von sich aus einfach abgebrochen, klagt Schramma: „Wir nehmen das mit Bedauern und Ärger zu Kenntnis.“ Und Kölns Messechef Jochen Witt bezeichnete das Verhalten des Viva-Chefs als empörend: „Was Herr Gorny ist, ist er erst durch uns geworden – durch Zuschüsse von Stadt und Land sowie durch Unterstützung durch die Messegesellschaft.“

Ärgerlich sei es vor allem, dass die Hauptstadt der Popkomm Subventionen zahle. Bis zu 30 Prozent der Kosten würden von Berliner Seite getragen, will Schramma erfahren haben. Davon will an der Spree keiner was wissen, trotzdem werden die Kölner nicht müde, von einem „Magnetismus“ zu sprechen, den man über den Länder-Finanzausgleich indirekt auch noch mitbezahlen müsse. Mit der Landesregierung will man nun kurzfristig Gegenmaßnahmen überlegen, droht Schramma. Damit aber ist die Popkomm kaum zurückzuholen.

Doch die Kölner wollen kämpfen. Und wenn die Kölner für etwas richtig kämpfen, dann geht es immer ums Feiern. Auch jetzt: Das Musikfest mit Freilicht-Bühnen und Club-Auftritten soll der Stadt doch wenigstens erhalten bleiben, betteln unisono alle Stadtoberen. Musik-Manager Karl-Heinz Pütz meint, die Berliner Messe sei sowieso nur scharf auf den Kongressbereich, da könne man doch in Berlin diskutieren und in Köln feiern. Die Messe werde in Berlin ohnehin näher in die Weihnachtszeit verschoben, und wenn es richtig kalt sei, wolle doch dort niemand mehr auf der Straße Stars und Sternchen zujubeln.

Die Berliner sehen das keineswegs so. Schließlich bezeichnen die neuen Veranstalter das integrierte Musik-Festival als „Herzstück“ der Popkomm. Schon in der Vergangenheit wurde das Geld nicht mit der Fachmesse, sondern eben mit dem Mega-Event Musikfest verdient.

Einen anderen Faktor haben die Kölner ebenfalls kaum berücksichtigt: Viele internationale Künstler kamen nur in die Domstadt, weil es hier die Popkomm gab. Ist die weg, lohnt sich der teure Flug für einen Auftritt am Rhein vielleicht nicht mehr.

Inzwischen warnten erste Politiker vor einem „Rutschbahn-Effekt“. „Wir müssen aufpassen, dass jetzt nicht auch Viva TV und andere Firmen aus der Musikbranche nach Berlin abwandern“, sagt Axel Kaske (SPD). Und die Industrie- und Handelskammer spricht von einem „Leuchtturm, der wegbricht“. Trotz langer Gesichter: In vier Wochen geht es noch einmal richtig rund. Zum letzten Mal findet die Popkomm in Köln statt, und das wird die ehemalige Lieblings-Medienstadt des Ex-NRW-Ministerpräsidenten und heutigen Bundeswirtschaftsministers Wolfgang Clement noch einmal richtig genießen. Und natürlich feiern. FRANK ÜBERALL