Auch Begründung Nr. 2 ist endgültig erledigt

Nachdem längst klar ist, dass Saddam Hussein keine Massenvernichtungswaffen hatte, ist nun auch seine Zusammenarbeit mit al-Qaida widerlegt. Kandidat Kerry spricht von gezielter „Irreführung“ durch Bush

WASHINGTON taz ■ Die zweite offiziell vertretene Begründung der Bush-Regierung für den Irakkrieg, Bagdad habe mit dem Terrornetzwerk al-Qaida kooperiert, ist spätestens seit Mittwoch ebenso ad absurbum geführt worden wie der Vorwurf, Saddam Hussein habe unmittelbar vor dem Krieg über Massenvernichtungswaffen verfügt.

Nach Erkenntnissen der Untersuchungskommission zu den Terroranschlägen vom 11. September gibt es keine Beweise für eine Beteiligung des Irak an den Attentaten auf New York und Washington. Das geht aus dem nun veröffentlichten vorläufigen Ermittlungsbericht hervor. Al-Qaida-Chef Ussama Bin Laden habe zwar nach Möglichkeiten gesucht, mit dem irakischen Regime zusammenzuarbeiten. Doch die Bemühungen liefen ins Leere. Anfang der 90er-Jahre sei ein irakischer Geheimdienstmitarbeiter mehrere Male in den Sudan gereist, um Bin Laden zu treffen. Dieser habe bei den Begegnungen um Hilfe beim Aufbau von Trainingslagern für Terroristen und die Beschaffung von Waffen gebeten. „Der Irak hat darauf offenbar nicht reagiert“, heißt es in dem Bericht. Auch nachdem Bin Laden nach Afghanistan zurückkehrte, verliefen seine Kontaktversuche mit Bagdad im Sande. Das Fazit der Kommission in dieser Frage überrascht nicht. Bereits vergangenes Jahr hatte der CIA wiederholt darauf hingewiesen, dass es keinen „Link“ zwischen Hussein und Bin Laden gab. Verblüffend ist jedoch, mit welcher Dreistigkeit die Bush-Regierung weiterhin dieses Argument bemüht. Noch am Montag erklärte Vize Dick Cheney, dass Hussein ein „Pate des Terrorismus“ gewesen sei und lange Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida unterhalten habe. Für Bush ist der Terroristenfürst Abu al-Sarkawi, der seit dem Sturz Husseins vermutlich im Irak operiert, der „beste Beweis“ einer Verbindung. Dabei hatte noch vor wenigen Wochen Ex-CIA-Chef George Tenet vor dem US-Senat ausgesagt, dass Sarkawi vorher nicht mit dem Irak kooperiert habe.

Das Weiße Haus rettet sich nun damit, niemals explizit gesagt zu haben, dass Hussein für den 11. September mitverantwortlich ist. Die unscharfe und suggerierende Rhetorik erzeugte jedoch genau diesen Eindruck in der US-Öffentlichkeit. So sprach Cheney vom Irak als der „geografischen Basis jener Terroristen, die uns seit vielen Jahren im Visier haben, speziell am 11. September“. Er wiederholte auch die Behauptung, Mohammed Atta, Koordinator der Flugzeugentführungen, habe sich im Frühjahr 2000 in Prag mit einem irakischen Geheimdienstoffizier getroffen – falsch, wie die Kommission resümierte. „Die nackte Wahrheit“, kommentiert daher die New York Times und fordert, Bush müsse sich beim amerikanischen Volk für den Betrug entschuldigen. Der demokratische Präsidentschaftskandidat John Kerry warf Bush umgehend „Irreführung“ vor. MICHAEL STRECK