Das Straßenbild

Die Reklamerezension. Heute: Der schleichende, hüpfende Tod

Wer zu schockieren beliebt, darf nicht zimperlich sein – und auch nicht zu differenziert. Selbst auf die Gefahr hin, dass der Schock einigen Menschen saures Aufstoßen beschert. Das nebenstehende Foto wurde uns von Jürgen Brodbeck zugesandt, vom Verein SpielLandschaftStadt e. V. in Bremen. „Solche Werbekampagnen“, schimpft Herr Brodbeck in seinem Begleitschreiben, „werfen uns, die wir Kinder im Draußenspielen unterstützen, um Jahre zurück. Als wäre es heutzutage unser Problem, dass Kinder zu viel draußen spielen!“

Und tatsächlich: Wann haben wir zuletzt hochsommerlich bekleidete Kinder gesehen, die vor Fifties-Reihenhäusern stundenlang Seilspringen spielten? Oder Gummitwist. Kam nach uns überhaupt noch eine Kindergeneration, die so etwas gemacht hat? Viel wahrscheinlicher ist es, dass heutzutage Kinder im Einschulungsalter die Plakatreihe der Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Prävention sehen und ihre Erziehungsberechtigten fragen: „Was spielen denn die Kinder da auf dem Foto?“ Na, Seilspringen, Schatz! „Und warum tun die das?“

Tja, und da steht man dann und weiß nicht recht, was man sagen soll. Nun, könnte man antworten, das sind steinalte Fotos, aus grauer Vorzeit, als der Gameboy noch lange nicht erfunden war und es nur jeden zweiten Tag eine „Kinderstunde“ im Fernsehen gab. Da trafen sich die Kinder am Nachmittag alle auf der Straße und spielten miteinander Hüpfspiele. Komische Welt damals, werden die Kinder von heute denken.

Von der Hand zu weisen ist das Anliegen der Werbekampagne aber deshalb natürlich noch lange nicht. Kinderhaut gehört in unseren ozonlochgeschädigten Zeiten in den Schatten, nicht in die pralle Mittagssonne. Aber auf die Bude auch nicht. Pflanzt mehr Bäume! Cremt euch gründlich ein! Und lernt gefälligst endlich Seilspringen, das ist saugeil! REINHARD KRAUSE