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: STEFFEN GRIMBERG über ARD-Programmgestaltung und deutsche Geschichten

Frau Schnabel und ihre Kinder

Gut, jawoll, wenn’s denn der allgemeinen Zufriednheit dient: Unseretwegen soll’s dann eben Gabi Bauer machen. Den Platz von „Friedman“ in der ARD füllen, weil der ja noch ein bisschen nachdenken soll. Oder muss. Obwohl die Entscheidung ja frühestens Montag im Kreis der ARD-Granden offiziell gefällt wird.

Nun „gehören“ solche Sendeplätze ja nachgerade bestimmten Anstalten, in unserem Falle die 30 Dienstagsminuten „Friedman“ alle zwei Wochen dem Hessischen Rundfunk. Aber der HR muss Fußball sponsern und kriegt jetzt doch nicht so schnell ein anderes Talkformat (Arbeitstitel: „Vorwärts! Eintracht“) hin.

Nur bis „Gabi Bauer“ zu ihrem Biowochenrhythmus findet, geht erst mal noch der ganze Sommer ins Land. Und der Sendeplatz wäre – frei. So dass, nur mal als Beispiel, am 20. August eine 90-minütige ARD-Dokumentation schon gleich um 23.00 Uhr nach den „Tagesthemen“ anfangen könnte. Und nicht erst ab 23.30 Uhr das Schicksal hätte, von vielen mit dem „Prädikat besonders wertvoll, aber zu spät“ bedacht zu werden.

Diese Doku hat übrigens Lutz Hachmeister gedreht, sie heißt „Schleyer – Eine deutsche Geschichte“ und thematisiert erstmals ausführlich auch die NS-Vergangenheit des 1977 von der RAF ermorderten deutschen Wirtschaftsführers. Während Heinrich Breloers Doku-Drama „Todesspiel“ über die Schleyer-Entführung vor sechs Jahren von der ARD noch für Primetime- tauglich befunden wurde, hat es diesmal eben nur für eine „normale“ Doku-typische Sendezeit gereicht.

Aber was macht die ARD mit der „Friedman“-Lücke? Zuklatschen. Mit einer Doku übrigens. Einer Doku, die zu allem Überfluss vor gerade mal drei Wochen schon zu sehen war. Im auch überregional durchaus verbreiteten „Dritten“ namens WDR Fernsehen: „Mamma mia – Frau Schnabel und ihre 17 Kinder“. Nichts gegen dieses Porträt der „durchaus mit dem ‚Gebärautomatismus‘ kokettierenden“ (WDR-Pressetext) Vielfachmutter, der „kaum eine Zeit einfällt, wo sie nicht schwanger war“. Hat ja schließlich auch das Bundesverdienstkreuz bekommen. (Schleyer bestimmt auch).

Nun muss diese Doku zum Behufe ihres umgehenden ARD-Recyclings sogar noch von ihren ursprünglich 45 Sendeminuten auf „Friedman“-kompatible 30 zusammengestrichen werden. Selbst bei Berücksichtigung der üblichen ARD-Unsinnigkeiten in Sachen Programmplanung: Spätestens jetzt fällt es schwer, ernst zu bleiben. Was für ein Programmfluss: „Tagesthemen“, dann „Frau Schnabel“ und dann „Herr Schleyer“.

Liebe ARD! Hochverehrter Herr Chefredakteur Hartmann von der Tann! Habt ihr sie noch alle? Oder hat am Ende doch Gabi Bauer …