Ungeklärte Besitzverhältnisse nach CBL-Deals

Wie viele andere Kommunen in NRW hat auch Bonn Cross-Border-Leasing-Geschäfte abgeschlossen. Weil deren Folgen so komplex sind, fragte Attac Experten, wem Bonn nun eigentlich gehört. Doch die Antwort kennt niemand

BONN taz ■ „Wem gehört die Stadt?“ hatten die Kölner Grünen nach dem SPD-Spendenskandal 2002 gefragt. Nun zog die Attac-Gruppe der Nachbarstadt nach: „Wem gehört Bonn?“ war die Frage, die am Mittwoch im Bonner DGB-Haus Werner Rügemer und Peter Finger diskutierten.

Im Mittelpunkt standen die stark umstrittenen „Cross-Border-Leasing“-Geschäfte (CBL). Der Kölner Publizist Rügemer hat sich in seinen Büchern „Colonia Corrupta“ und „Cross Border Leasing“ intensiv mit den Themen Klüngel, Privatisierungen und CBL auseinandergesetzt. Peter Finger sitzt für die Grünen im Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Bonn. Er plauderte aus dem Nähkästchen fragwürdiger Kommunalpolitik.

Also, wem gehört jetzt Bonn? Die Antwort: So genau weiß man das in der Bundesstadt auch nicht. Ungeklärte Besitzverhältnisse gelten zumindest für 38 Straßenbahnwaggons sowie fünf Kläranlagen der Stadt, die seit 1996 in CBL-Geschäften an US-Trusts übertragen wurden. Bonn erhielt 52 Millionen Euro „Barwertvorteil“ auf die klamme Hand. Der US-Investor sparte Steuern. Im Stadtrat blieb nur die grüne Fraktion skeptisch und stimmte als einzige gegen CBL. Ein „Bauchgefühl“, sagte Finger, dass hier „etwas nicht mit rechten Dingen zugeht“.

Richtig gefühlt. Da wäre zum einen ein Steuerverlust für die USA von geschätzten 20 Milliarden Dollar jährlich. „Das ist deren Problem, Hauptsache wir haben Geld in der Kasse, egal auf wessen Kosten“, beschreibt Finger die Geisteshaltung der politisch Verantwortlichen. Diese Kurzsichtigkeit kann sich rächen, befürchtet Rügemer. Nachdem die Europäische Kommission die USA vor der Welthandelsorganisation wegen unfairen Steuerwettbewerbs verklagt hat, werden in den USA Gesetze vorbereitet, nach denen Scheingeschäfte wie CBL illegal sind. Rügemer prophezeit, dass viele Investoren keine Geschäftsgrundlage mehr sehen, sollten die Gesetze wirksam werden. Für diesen Fall sehen die Verträge Kündigungsgründe vor, die kaum absehbare Folgen für die Kommunen haben und sie schnell um ihren Besitz bringen können. Es lohnt also auch in Bonn, einen Blick in den Vertragstext zu werfen. Doch der wird von der Stadtverwaltung unter Verschluss gehalten und lag nie vollständig übersetzt vor.

„Das normale Ratsmitglied hatte bei der Entscheidung maximal die Sitzungsvorlage und der Großteil null Ahnung“, berichtet Finger, der es für einen „Skandal“ hält, dass „man solche Dinge geheim hält“. Er selbst darf keine Zahlen und Namen aus den nicht-öffentlichen Sitzungen bekannt geben, in denen öffentliches Eigentum feilgeboten wurde. „Wir sind in einer Situation, wo der Verstoß gegen Eidesformeln demokratische Pflicht ist“, meint nicht nur Rügemer.

Ein „eklatanter Demokratieverstoß“ seien diese Praktiken, befindet man im Publikum, das in der abschließenden Diskussion teilweise viel Sachverstand und mit Sicherheit mehr kritische Urteilskraft bewies als die Kommunalpolitiker beim Abschluss der Geschäfte. Finger würde die Geschichte gerne neu aufrollen, sieht seine Partei aber nicht in der Lage dazu. Deswegen ermuntert er die Diskussionsteilnehmer abschließend, Bürgeranträge nach Paragraph 24 der NRW-Gemeindeordnung zu stellen, in denen die Beantwortung offener Fragen verlangt wird. Dann ist der Rat gezwungen, sich der Sache neu anzunehmen. Fazit des Abends: Auch wenn der Rummel um die Cross-Border Geschäfte erst einmal vom Tisch ist – das böse Erwachen für Bonn kann noch kommen. MARTIN OCHMANN