Das europäische Dosen-Theater

Weil sich ausländische Blechbüchsen seit dem Start des Dosenpfands nicht mehr so gut verkaufen lassen, will EU-Kommissar Bolkestein Deutschland verklagen. Umweltminister Trittin hält dagegen: Der Anteil ausländischer Mineralwässer ist gestiegen

Bis es zu einem Urteil kommt, vergeht noch viel Zeit, meint der Umweltminister

von MARIUS ZIPPE

Zur Geschichte des Dosenpfands könnte ein neues Kapitel hinzukommen. Bundesumweltminister Trittin (Grüne) droht wieder Ärger; diesmal nicht von der Getränkelobby, sondern aus Brüssel. Dort will EU-Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein gegen Deutschland klagen, weil das Übergangschaos bei der Einführung des Dosenpfands ausländische Anbieter benachteilige.

Erst diese Woche gab es nach zermürbenden Streitereien zwischen Handel und Bundesumweltministerium um den Dosenpfand eine Erfolgsmeldung. Lekkerland-Tobaccoland, Deutschlands führender Großhändler für Tankstellenshops und Getränkemärkte, kündigte die Einführung eines bundesweiten Rücknahmesystems an. Ab 1. Oktober können Kunden in etwa 100.000 Geschäften Wegwerfflaschen und Dosen kaufen und in allen Filialen wieder abgeben. Anbieter von Pfandsystemen könnten demnächst bundesweite Netze aufbauen.

Binnenmarktkommissar Bolkestein reicht das nicht. Nicht gegen das Dosenpfand selbst hat er Bedenken. Ihm geht es um die bis zum Oktober geltende Übergangsfrist. Bis dahin können Einwegverpackungen nur in dem Laden oder der Supermarktkette zurückgegeben werden, wo sie gekauft wurden. Nach Bolkesteins Ansicht diskriminiere diese Praxis vor allem Anbieter aus dem Ausland. Seine Argumentation: Weil ausländische Anbieter fast ausschließlich Getränke in Einwegverpackungen anbieten, sind sie vom Umsatzeinbruch von Getränken in Einwegflaschen und Dosen besonders stark betroffen. Der Grundsatz des freien Warenverkehrs sei verletzt.

In einem der taz vorliegenden Brief an den EU-Binnenmarktkommissar bestreitet Umweltminister Trittin die Vorwürfe. Demnach gebe es für die angeblichen Absatzeinbrüche ausländischer Getränkeanbieter keine Anzeichen. Seit der Einführung des Pfandes seien sogar 15 Prozent mehr ausländische Mineralwässer in Deutschland verkauft worden. Diese machten mehr als die Hälfte der Importe in pfandpflichtigen Verpackungen aus. Das Ministerium stützt sich auf Zahlen der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung.

Kommt es zu einer Klage, könnte der Europäische Gerichtshof das Dosenpfand im schlimmsten Fall kippen. Im Bundesumweltministerium glaubt aber niemand daran. Vor Ablauf der Übergangsfrist am 30. September werde der Europäische Gerichtshof kaum ein Urteil fällen, so ein Sprecher.

Auch in Brüssel macht sich Bolkestein mit seinem Vorstoß nicht beliebt. Aus Kommissionskreisen verlautete, die Umweltkommissarin Margot Wallström sowie die deutschen Kommissare Günter Verheugen und Michaele Schreyer seien gegen die Klage. Mittwoch wird Brüssel endgültig entscheiden.