Robert Rolles kurzes Profidebüt

Die Mutter, Box-Promoterin Eva Rolle, gilt als „Lady und Pitbull“ – ihr Sohn Robert als Boxtalent. In der überhitzten Dachetage einer Fabrikhalle in Oberschöneweide gewinnt Sohnemann seinen ersten Kampf als Profi schon nach 100 Sekunden durch K. o.

von JUTTA HEESS

Die kleine Frau mit den kurzen Haaren schleppt Stühle durch das Gym. Schon beim bloßen Zuschauen bekommt man einen Schweißausbruch, so heiß ist es hier, in der Dachetage einer Fabrikhalle in Oberschöneweide. Eva Rolle trägt schwarze Lederhosen und ein schwarzes Häkeltop. „Hier kannst du dich hinsetzen.“ Die Boxpromoterin ist aufgeregt, das gibt sie zu. Nicht unbedingt weil heute Abend vier Athleten aus ihrem Boxstall „International Fight Club Organisation“ (IFCO) Profikämpfe absolvieren. Sondern weil einer von diesen Jungs ihr eigener Sohn ist.

Die sonst etwas ruppige Eva Rolle schiebt nervös an den Stühlen herum. Der IFCO-Manager Mike Cloth beschrieb sie zärtlich als „Lady und Pitbull“, als sie vor drei Jahren auszog, das Männergeschäft Boxen aufzumöbeln. Es ist ein besonderer Kampf, den ihr Sohn heute bestreitet. Besser gesagt: der erste. Robert Rolle gibt sein Profidebüt.

Die Veranstaltung gleicht einer Geburtstagsparty. Rund 60 Zuschauer lassen sich auf den Stühlen um den Boxring nieder – alles geladene Gäste, Bekannte, Freunde, Sponsoren, erklärt Mike Cloth. Interessierte ohne Einladung werden wieder rausgeworfen – auch schon mal von Frau Rolle persönlich, wie ein Pärchen am eigenen Leibe erfahren muss.

Für die Privilegierten gibt es hingegen freie Getränke, Häppchen und je eine rosa Gerbera auf den Tischen. Auf einer Leinwand läuft eine RTL2-Reportage mit dem Titel „Deutschlands wahre Helden“. Auch Robert Rolle gehört zu diesen Helden. Ein Team hat ihn vor seinem ersten Kampf begleitet und seinen Alltag dokumentiert. Noch bevor er seinen ersten rechten Haken geschlagen hat, ist der Boxer ein kleiner TV-Star.

Pünktlich um 20 Uhr stellt der Ringsprecher Roberts Gegner vor. Stan Cermak aus Tschechien, 26, er hat bereits Amateur- und zwei Profikämpfe bestritten und wiegt 76 Kilo bei 1,75 Metern. Nahezu unbemerkt steigt der stämmige Boxer in den Ring. Durchtrainiert wirkt er nicht.

Nach dem Verlesen von Roberts Steckbrief (20 Jahre, 78 Kilo, 1,79, erster Profikampf) ruft der Ringsprecher den Sohn der Promoterin in die Halle. Musik erklingt, Applaus braust auf – und wieder ab. Robert verspätet sich ein bisschen und hüpft schließlich showkonform in die Halle: mit einem Handtuch über dem Kopf und den typischen Boxbewegungen. Hinter ihm sein Trainer Mike Wissenbach und Lee Manuel Osie, der Fünfte auf der deutschen Rangliste der Profiboxer im Halbschwergewicht und damit erfolgreichster Schützling der IFCO.

Roberts tägliches Training in den letzten zwei Jahren hat sich gelohnt: Er ist ein Modellathlet. Seinen Gegner beeindruckt das herzlich wenig, er geht gleich zu Beginn der ersten Runde in die Offensive. „Ruhig, Robert, ruhig!“, ruft Mike Wissenbach aus der roten Ecke. Tatsächlich ist der Kampf hektisch, die Schläge wirken willkürlich.

Und dann fällt Stan Cermak plötzlich um. Robert hebt die Faust. Ein Treffer auf den Solarplexus des Gegners, der Ringrichter macht Schluss. Sieg durch K. o. nach 1 Minute und 40 Sekunden.

Robert Rolle hat seinen ersten Profikampf gewonnen. Seine Mutter kommt aus der hinteren Ecke der Halle in den Ring geklettert und umarmt ihren Sohn und Zögling. Mike Wissenbach klopft ihm anerkennend auf die Schulter. Und Roberts Freundin Katharina strahlt. Nur ein Zuschauer sagt: „Na, der Schlag war doch eher zufällig.“

Zufall oder nicht: Der erste Schritt eines langen Weges ist getan, der zweite folgt im September. „Da hat Robert seinen nächsten Kampf. Wir wollen jetzt ganz nach oben“, sagt Wissenbach nach dem Blitzduell. Ja klar, er sei zufrieden, Robert habe ihn voll getroffen, „da haut’s dir die Beine weg, Robert hat eine enorme Kaft.“ Mike Cloth hingegen sieht das Ganze etwas realistischer: „Wir wissen durch ein so schnelles Ende nicht, wo Robert wirklich steht.“ Schließlich habe er keinen einzigen Amateurkampf bestritten.

Für den Star des Abends aber ist es ein Auftakt nach Maß. „Ich will so weit kommen, wie es geht, gegen gute Leute boxen und jeden Kampf durch K. o. gewinnen“, erklärte Robert vor dem Kampf. Dafür arbeitet er hart: Zwei- bis dreimal am Tag sei er im Gym zum Training, manchmal schon morgens vor der Schule. Robert möchte nächstes Jahr Abitur machen. Berufliche Vorstellungen hat er auch: „Irgendwas mit Fitness und Ernährung oder Sportmedizin studieren“, sagt der Debütant, „aber erst mal will ich Boxer werden.“

Es klingt überzeugend, zugegeben. Und wenn man Robert anschaut – seinen festen Blick, seine harten Muskeln –, dann möchte man gerne glauben, da steht der zweite Tyson oder der dritte Klitschko. Betrachtet man allerdings das Drumherum, den kleinen Boxstall, die kleine Halle, den kleinen Kampf, dann könnte man auch den Verdacht haben, das Ziel des Sohnes der Boxpromoterin, ein Weltklasseboxer zu werden, sei vergleichbar mit dem Wunsch des Sohnes eines Feuerwehrmanns, Feuerwehrmann zu werden.

Doch wer weiß: Jeder hat mal klein angefangen. Auch die größten Boxer.