Der Phantasie fehlt noch Geld

Der Integrationskongress NRW endet mit der Gründung einer Stiftung: Die soll die Kluft zwischen Migranten und Mehrheitsgesellschaft verkleinern – und Zugewanderten mehr Chancen verschaffen

AUS KÖLN CLAUDIA LEHNEN

Nesrin möchte wissen, wo sie hingehört. Sie ist jetzt 15 Jahre alt. Nach langjähriger Flucht kam sie vor vier Jahren aus dem Libanon. In Deutschland hat sie mit elf Jahren zum ersten Mal eine Schule besucht. Nesrin will hier bleiben. Nesrin wünscht sich Ruhe. Demnächst wird entschieden, ob sie abgeschoben wird.

Die gemalten Kinderbilder im Foyer des Kölner Maternushauses sind deshalb Geschichten langer Irrfahrten, Geschichten der Flucht. Sie sind keine Geschichten des Ankommens. Denn ob die Migrantenkinder in Deutschland bleiben dürfen, entscheidet sich oft erst nach vielen Jahren. Die am Samstag unter der Schirmherrschaft von Landtagspräsident Ulrich Schmidt gegründete „Stiftung für Integration in Nordrhein-Westfalen“ ist ein Ergebnis des Integrationskongresses NRW: Sie soll nun dazu beitragen, dass die Kluft zwischen Migranten und Mehrheitsgesellschaft verkleinert wird, dass Zugewanderte mehr Chancen bekommen.

Birgit Fischer, SPD-Landesministerin für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie, will die in zwölf Foren mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten erarbeiteten Ergebnisse des Kongresses nicht nur in ihrem eigenen Ressort umsetzen, sondern auch an ihre Kabinettskollegen herantragen. „Wir müssen in allen Bereichen eine Antidiskriminierungspolitik durchsetzen, die alle Gruppen zu ihrem Recht kommen lässt und jedem die gleichen Chancen eröffnet“, versprach Fischer.

Eine zentrale Forderung des Kongresses: Interkulturalität müsse vor allem in der Arbeitswelt nicht als Belastung, sondern als Ressource anerkannt werden. „Wir müssen weg von der Betrachtung, Migranten seien Defizitträger“, verlangte Berrin Özlem Otyakmaz von der Universität Duisburg-Essen. Zweisprachigkeit und Bikulturalität seien im Gegenteil Kompetenzen, die für Wissenschaft und Arbeitswelt eine Ressource darstellten. Um Zugewanderte nicht zu benachteiligen, forderten die Forumsmitglieder vor allem Verbesserungen in der Ausbildung. Auch Jugendlichen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus müsste eine berufliche Erstausbildung ermöglicht werden.

Gefordert wurde außerdem politische Partizipation für Zugewanderte. Die Einführung des Kommunalwahlrechts hielt Tayfun Keltek von der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretung NRW zwar im Moment für „nicht erreichbar“. Die anstehende Umwandlung des Ausländerbeirates in einen Integrationsbeirat sieht Keltek aber als wichtigen Schritt. Zur Erhöhung des Migrantenanteils in Verwaltung, Verbänden und Parteien sei die Einführung einer Quote nötig.

Mit Skepsis wurde dagegen die Aussage muslimischer Vertreter aufgenommen, Integrationshilfen weiter auszubauen – für Stiftungs-Mitinitiator Hans Georg Crone-Erdmann von der Vereinigung der Industrie- und Handelskammern bleibt der Islam „das größte Unsicherheitsmoment in unserer Gesellschaft“. Beide Seiten müssten „aufeinander zugehen“, glaubt auch Hans Peter Schmitz vom Landessportbund.

Unsicher bleibt vorerst auch die Finanzierung der Stiftung: „Was uns fehlt ist Geld, nicht Phantasie“, klagt ausgerechnet Klaus Lefringhausen, Integrationsbeauftragter der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Mitinitiator und Wirtschaftsvertreter Crone-Erdmann hält dagegen: Im Vordergrund der Stiftungsarbeit solle „das gemeinsame Handeln“ stehen – „nicht das gemeinsame Sammeln von Geld“.