Nur Bewegte bewegen

Beim Landes-Schultheater-Treffen gehen manche mit Klassikern baden, andere mit Selbstgeschriebenem. Aber auch antike Komödien können Jungen- und Mädchenträume entzünden. Denn es kommt darauf an, die Lust am Darstellen wach zu halten

chultheater? Das klingt seltsam verstaubt. So bemüht pädagogisch, so wohlmeinend didaktisch. Aber das Bremer Landes-Schultheater-Treffen hat in diesem Jahr bewiesen, dass sich da etwas bewegt auf den schulischen Bühnen des Landes etwas bewegt: Gut 250 Jugendliche trafen sich vergangene Woche im Bremer Theater. Was sie zu bieten hatten, konnte das lähmende PISA-Gerede verstummen lassen.

Und das nicht, weil der als Sultan verkleidete Bildungssenator zum Auftakt dem Fach Darstellendes Spiel eine große Zukunft versprach. Sondern, weil das Engagement der Jugendlichen beim Spielen, Zuschauen, Diskutieren ebenso ansteckend wie erfrischend wirkte.

Die eingeladenen Produktionen waren in diesem Jahr – erstmals seit langem – Jury-geprüft. Nicht darunter gelitten hatte die Bandbreite: Zu erleben gab es Tanztheater, selbst geschriebene Szenen-Collagen, klassische Stoffe; die Themen reichten von der ersten Liebe über Such- und Suchtbewegungen bis hin zu Gewalt und Krieg. Das Fazit: TheaterlehrerInnen wagen viel, und ihr Mut wird belohnt.

Denn die Jugendlichen auf der Bühne und im Zuschauerraum gehen mit. Zumindest, wenn sie die verhandelten Themen und Formen als ihre eigenen begreifen können.

Das wurde gleich am ersten Tag besonders sichtbar: Die Herzklopfer der Theatergruppe der ISS Leibnizplatz bearbeiteten mit Teppichklopfern große rote plüschige Stoffherzen. So wurde unter der Leitung von Charlotte Räuchle und Irmgard Janus der erzpädagogische Aufklärungsklassiker Was heißt hier Liebe? zum charmanten und ehrlichen Spiel, das die jungen Akteure bei ihrer Lust am Darstellen abholte.

Das galt auch für die anrührendste und schönste Produktion des kleinen Festivals: In Vater-Liebe beschäftigt sich die von Paul Scheller geleitete Theater-AG des Schulzentrums Ronzelenstraße mit der schwierigen Beziehung zwischen Vätern und Töchtern.

Fantastisch schon das Bühnenbild: Die Mädchen kriechen durch die Gitter eines übergroßen Laufstalls und verwandeln sich in junge Frauen, während der Vater durch Abwesenheit glänzt. Entweder er ist nicht zu Hause. Oder er versteckt sich hinter der Arbeit. Die Texte hatte die Gruppe in langen Vorarbeiten und Übungen selbst geschrieben, die Geschichten, die die jungen Frauen erzählen, sind ihre eigenen.

Selbgemachtes ist allerdings nicht immer Trumpf: Nichtschwimmer heißt die Szenen-Folge des Grundkurses Darstellendes Spiel (Gymnasium Kurt Schuhmacher Allee, Leitung Ellen Lindek), die auf einer beeindruckend gestalteten Bühne mit kräftigen Tanzeinlagen zu viel auf einmal zeigen will: Unter der Knute eines faschistoiden Bademeisters werden Nichtschwimmer sprunghaft schnell zu uniformierten Mitläufern – Leitkultur, Fremdenfeindlichkeit, Konsumterror, einmal Kapitalismus rauf und runter. Es hätte auch weniger sein dürfen.

Dennoch: Die große Gruppe war spürbar engagiert. Es blieben starke Bilder. Was nicht gelingt, wenn Jugendliche den Stoffen oder Figuren nicht gewachsen sind. So blieb rätselhaft, warum die Schülerinnen des Ökumenischen Gymnasiums ausgerechnet Jean Giraudoux’ so ausgesprochen artifizielle wie komplexe Irre von Chaillot sprechen mussten. Ebenso erwies sich Büchners Leonce und Lena als eine Nummer zu groß für die jungen Akteure der Paula-Modersohn-Schule Bremerhaven.

Aber: Auch Klassiker können mit einfachsten Mitteln lebendig werden. So ist Aristophanes Komödie Lysistrata immerhin runde 2.400 Jahre alt. Der von Frank Dopp betreute Grundkurs Darstellendes Spiel des Schulzentrums Walliser Straße zeigte jedoch mit Witz, dass die kämpferischen Friedensfrauen, die ihren kriegführenden Männern den Geschlechtsverkehr verweigern, Jungen- und Mädchenträume entzünden können. Am Rande aufgeschnappt die ersten Kommentare nach diesem letzten Festival-Beitrag: „Das war geil!“ Hans Happel