Eier zu Würfeln

Ein Stadtneurotiker: Joe Carrera sammelt Haushaltsgegenstände und Jobs. Besonders beliebt sind seine Auktionen, auf denen er moderiert. Ein Porträt

von JANA SITTNICK

Vielleicht ist es eine Ersatzhandlung oder eine Triebbefriedigung oder einfach eine Art, sich mit sich selbst zu beschäftigen: das Sammeln von Dingen, die selten schön und notwendig sind und deren Sinn sich nur dem Sammler erschließt.

Manche gehen regelmäßig zu Fundbüro-Auktionen, um Dinge zu ersteigern, die andere liegen gelassen oder verloren haben. Sie sammeln Regenschirme, Überraschungseier-Spielzeug, und es gibt sogar welche, die Bürsten sammeln. Viele Sammler sagen, dass sie sich ihre Sammlung gern anschauen, dass sie das beruhige. Dabei glauben sie selten, dass sie einen Tick haben. Eher sagen sie, dass sie ihren Spaß haben. Besonders, wenn sie zu diesen ulkigen Versteigerungen im Kreuzberger Privat Club gehen, bei der ein Moderator mit den Objekten redet, als wären es Talkgäste. Das gefällt den Sammlern.

Joe Carrera, der sich ebenfalls als Sammler bezeichnet, moderiert seit einigen Jahren Versteigerungsshows im Goldenen Hahn, im Privat Club und in der Lee Harvey Oswald Bar. Mittlerweile ist ein Szene-Event daraus geworden. Das mag vor allem daran liegen, dass Carrera nicht nur Dinge sammelt, sondern auch Aufgaben. Seit Jahren legt er Platten auf, er spielt in seiner Band „Joe Carrera and his rhythm question“, begreift sich aber auch als Entertainer.

Zum Beispiel wenn er Comedyshows fürs Radio macht, wie vor zwei Jahren, als er zusammen mit Ramtin Asadolahzahdeh, besser bekannt als DJ Chamäleon und Gatte von Party-Profi Jackie A., auf Radio Multikulti das „Chalet Sing Sing“ moderierte. „Ramtin war Mister Musik und ich war Mister Wort“, erinnert sich Carrera, „wir haben uns über Musik unterhalten und so getan, als wären wir in einem kleinen Haus und würden Ping Pong spielen.“ Eine kleine Sammlung von Minihörspielen hat Joe Carrera übrigens auch für das Radio geschrieben, Geschichten vom Helden „Schluck“, einen Anti-Superman, der zu Höchstform aufläuft, wenn er betrunken ist. Die Radioshow wurde nach einem Dreivierteljahr eingestellt. Sie passte nicht zum Format des Senders, meint Carrera.

Vielleicht passt Joe Carreras Lust, skurrile Geschichten und Sachen zu sammeln, tatsächlich besser zu seiner Funktion als komischer Auktionsonkel – seine Live-Performance tatsächlich besser zu den bunten Trödel-Utensilien, die für weniger als einen Euro unter den Hammer kommen. Denn der ausgebildete Schauspieler gibt vor allem optisch den glaubhaften Sonderling. Er trägt pinkfarbene Oberhemden, Fusselfrisur und dickrandige Brille, und wenn er dann auch noch zwischendurch ein selbst verfasstes Liedchen über Kanarienvögel singt, dann muss man schon mal an einen LoFi-Rudi-Carrell denken, an eine Art Berliner Stadtneurotiker à la Woody Allen.

Seine Show ist Stand-Up-Comedy, die man sehen muss und nicht bloß hören. Carreras Publikum mag den komischen Auktionator und seine ebenso komischen Haushaltsgeräte. Zum Beispiel den „Eggcuber“, ein strombetriebenes Ungetüm, das Eier zu Würfeln formt. „Da steckt man oben ein hart gekochtes Ei rein“, sagt Carrera, „und unten kommt das dann als Dominostein wieder raus.“ Carreras Versteigerungen sind gut besucht, die Leute bieten, schreien vor Vergnügen, und wer eine Trödelmarkt-Trophäe erstanden hat, der freut sich wie Oskar.

Vor kurzem hat Joe Carrera übrigens eine kleine, mit Kitsch-Devotionalien gefüllte Bar im Prenzlauer Berg eröffnet. In der „Skihütte“ kann man Almdudeler, diese österreichische Kräuterlimo, trinken, vor allem aber auch Bleistiftanspitzer in Fußballgröße angucken und Meerschweinchenfelle vor dem künstlichen Kamin bewundern oder auf der Damentoilette einen getönten Schminkspiegel mit verstellbaren Lichtniveaus. Darin sieht man das eigene Gesicht mit makellosem Teint, und kann für einige Momente glücklich sein wie der zufriedene Sammler.

Skihütte, Winsstraße 9, Prenzlauer Berg