Mehr Gewalt, aber weniger Hilfe

Niedersachsens Sozialministerin von der Leyen inszeniert sich gern als siebenfache Mutter, die weiß, wie nötig„Eltern-Kind-Büros“ sind. Trotzdem spart sie die Frauenhäuser und Notfalltelefone für Gewaltopfer zusammen

HANNOVER taz ■ In der Amtsbezeichnung der CDU-Politikerin Ursula von der Leyen stehen die Frauen zwar nur zweiter Stelle. Dennoch hat sich die niedersächsische „Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit“ in der Öffentlichkeit stets auch als Interessenvertreterin ihrer Geschlechtsgenossinnen präsentiert. Da eröffnete die 35-Jährige, die selbst sieben Kinder hat, etwa im eigenen Ministerium ein „Eltern-Kind-Büro“. Es ist mit PC-Arbeitsplätzen und mit altersgerechtem Spielzeug ausgestattet und soll auch dann noch den Weg zur Arbeit ermöglichen, „wenn die Tagesmutter kurzfristig absagt“. Und vor dem niedersächsischen Landtag beklagte sie durchaus schon mal die Nachteile von Frauen im Berufsleben, ihre schlechtere Bezahlung und kritisierte „männlich dominierte Strukturen“, an denen sich nicht wirklich etwas geändert hätte.

Dennoch sammelt sich der Protest gegen die Pläne von der Leyens: Heute werden in Hannover Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern, Beratungsstellen oder auch Notfalltelefonen für vergewaltigte Frauen demonstrieren. Wenn im Landtagsgebäude am Morgen das Juni-Plenum beginnt, wollen sie in Sichtweite am Rand der Bannmeile symbolisch eine „Frauenpower-Mauer“ errichten und sie später auch zum Einsturz bringen. Nach jahrelangen schrittweisen kleineren Kürzungen fürchten die Landesarbeitsgemeinschaften der Frauenhäuser und der Beratungsstellen gegen sexuelle Gewalt nun um die Existenz zahlreicher Einrichtungen. Denn Sozialministerin von der Leyen will sich ganz aus der finanziellen Verantwortung für die Projekte gegen Männergewalt stehlen. Die Förderung der Frauenhäuser, Beratungsstellen und Notruftelefone soll kommunalisiert und zugleich noch einmal kräftig gekürzt werden.

Wie die Grünen im niedersächsischen Landtag ausgerechnet haben, drohen den Einrichtungen Mittelkürzungen bis zu 45 Prozent. Bislang habe das Land in zwei verschiedenen Programmen für Gewaltschutz und Beratung von Frauen annähernd 4,3 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt, sagt die Fraktionsvize der Landtagsgrünen, Ursula Helmhold. Diese Summe werde nun zunächst auf 3,8 Millionen Euro gekürzt. In den Jahren 2005 und 2006 seien dann weitere Einsparungen von jeweils zehn Prozent der Fördersumme vorgesehen.

Dem Frauenhaus Hannover werden aufgrund früherer Kürzungen schon jetzt nur noch 36 Prozent der Ausgaben erstattet, für die das Land früher aufkam. Nun drohe auch im Großraum Hannover, in dem es drei Frauenhäuser gibt, die Schließung einer Einrichtung, sagt Frauenhaus-Mitarbeiterin Cornelia Ott. Auch Petra Klecina, die für die sechs niedersächsischen Notrufe für vergewaltigte Frauen und Mädchen spricht, fürchtet, dass die Kürzungen zumindest für einzelne der Nottelefone das Aus bedeuten.

Die Grünen bringen am Freitag einen Antrag in das niedersächsische Landesparlament ein, der die Kürzungen noch abwenden soll. Zur Begründung kann die Abgeordnete Helmhold auch auf die niedersächsische Kriminalstatistik verweisen, die im vergangenem Jahr 7.245 Fälle häuslicher Gewalt verzeichnete, rund fünf Prozent mehr als im Vorjahr.

Von der Leyen lässt allerdings die Frauen nicht zum ersten Mal im Stich. Durch eine Änderung der niedersächsischen Gemeindeordnung sollen künftig nur noch die Landkreise und großen Städte verpflichtet werden, eine hauptamtliche Frauenbeauftragte zu beschäftigten. Damit sinkt die Zahl der hauptamtlichen kommunalen Frauenbeauftragten von landesweit 137 auf 55. Das Eltern-Kind-Büro im Sozialministerium, so meint die Grünen-Abgeordnete Helmhold, sei „in Ordnung, aber ein alter Hut“. Die Kürzungen jedoch seien harte Politik. JÜRGEN VOGES