Und sie breaken doch!

Im Schatten des längst vergessenen BigBeat-Hype hat sich seit Ende der 90er eine kleine, eingeschworene Breakbeat-Gemeinde in der Techno-Frontstadt Berlin gebildet. Anlässlich der Rückkehr ihrer alten Helden von Propellerheads versammelt sie sich morgen in der Maria. Ihr Motto: „Dangerous Drums“

von JAKOB BUHRE

Irgendwann Ende der Neunziger sah es für einen Moment lang so aus, als könne der gebrochene Beat die Techno-Frontstadt Berlin erobern. „BigBeat“ sollte es damals sein, das neue, maximalen Spaß versprechende Ding aus England. Ein mit Funk- und Rock-Anleihen gefütterter Breakbeat-Sound, der endlich auch Rockfans mit elektronischer Musik versöhnen sollte und dank Fatboy Slim und den Chemical Brothers schnell seinen Weg in die deutschen Charts fand. Einen kurzen Sommer lang wurde zu „Rockafella Skunk“ geheadbangt und die Propellerheads schafften es mit ihrer Shirley-Bassey-Wiederbeatmung „History Repeating“ bis in die Playlists der Antenne Brandenburg.

Lang ist es her – „BigBeat“ als Schlagwort ist längst auf dem Müllhaufen der Musikgeschichte entsorgt. Doch so kurz die Halbwertszeit des BigBeat-Hypes gewesen sein mag, in Berlin hat er eine kleine, eingeschworene Breakbeat-Szene entstehen lassen, die ihrem Sound entgegen allen Widerstände die Treue hält. „Dangerous Drums“ heißt ihr größtes Klassentreffen in der Maria, bei dem morgen Abend mit Will White von den Propellerheads einer der prominentesten Vertreter der Break-Szene im Rampenlicht stehen wird.

Die „Dangerous Drums“-Macher Corin und Vela Arnold sind so etwas wie die Klassensprecher der kleinen Szene. Wie sie so in ihrem kleinen Büro auf der Torstraße sitzen, wirken sie sehr beschäftigt. Schließlich läuft hier, zwischen meterweise Platten und Stapeln von Demo-CDs, ein Großteil der Fäden der kleinen Berliner Breakbeat-Szene zusammen, die mit etwa 300 Anhängern zu den Kleinsten der Berliner Clublandschaft gehört. Corin und Vela organisieren mit „Dangerous Drums“ alle zwei Monate die größte Breakbeat-Party Deutschlands, als DJs Vela und ED 2000 stehen sie selbst hinter den Turntables und betreiben inzwischen mit Dangerous Drums Recordings (DDR) auch ein eigenes, reines Breakbeat-Label.

Gerade erschien auf DDR die Compilation „It’s a Berlin thing“, für die Corin und Vela aus knapp 300 Tracks die besten 30 rausgesucht haben. 60 Berliner hatten ihre Demos vorbeigeschickt, rein rechnerisch also jeder fünfte Aktivist. Eine beachtliche Produktivität, die jedoch außerhalb der Szene kaum wahrgenommen wird. Lars Döring, Betreiber des Clubs Icon, auf Erklärungssuche: „Die Leute wissen immer noch kaum etwas mit der Bezeichnung ‚Breakbeat‘ anzufangen, anders als mit Begriffen wie ‚Techno‘ oder ‚Drum ’n’ Bass‘, was aber auch Richtungen sind, die irgendwann mal einen lang anhaltenden Hype erlebt haben.“ Das Icon war zwei Jahre lang Gastgeber der „Superbreaks“-Reihe, die Döring aber einstellen musste, weil sie sich nicht rentierte.

Ob das an der Musik lag? „Nein“, meint Döring. Schließlich legt er regelmäßig im Berliner Cookies oder dem Münchner Atomic Cafe auf, die meisten seiner Platten sind Breaks – „und die Leute gehen ab!“ Es liege zum Teil einfach an der fehlenden medialen Präsenz der Breaks. Und tatsächlich: Wirft man einen Blick in die Musikpresse, wird da nur äußerst selten ein Wort über die gebrochenen Beats verloren. Was wohl auch damit zusammenhängt, dass die Szene keine deutschen Stars vorzuweisen hat und international bekannte Breakbeat-Acts wie Shut up and Dance oder die Freestylers eben nur selten in Berlin vorbeischauen.

So nimmt man, wenn schon die schreibende Zunft nicht für die Breaks zu begeistern ist, die Sache einfach selbst in die Hand. Wie DJ Gaya Kloud, der im Sommer letzten Jahres mit dem „Breakser“ ein kostenloses “Fachmagazin für Breakbeats“ auf die Beine stellte. Das von Partygängern und DJs geschriebene Fanzine verteilte er monatlich in den betreffenden Clubs der Republik – auch um die über ganz Deutschland versprengte Szene stärker zu vernetzen.

Vor kurzem musste Gaya Cloud den „Breakser“ allerdings einstellen, Anzeigenkunden waren ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen. So saß er auf einem kleinen Schuldenberg – bis diverse Szene-Protagonisten eine Benefizparty für das Magazin organisierten und ihm aus der Patsche halfen.

Überhaupt scheint das liebe Geld nicht unbedingt zentraler Motor der Szene zu sein, wie Corin Arnold feststellt. „Breakbeat ist ja auch nicht gerade der Weg zum schnellen Reichtum.“ Da die Szene bisher überschaubar geblieben ist, kommt ein guter Breakbeat-DJ kaum an die Gehälter einer lokalen Techno-Größe heran, auch wenn Leute wie Corin schon länger international gebucht werden. „Breakbeat bietet gerade eigentlich keinen Ansatzpunkt für den Mainstream, weder durch Mode noch durch irgendeinen Spaßfaktor“ sagt Ben de Biel, Macher des Maria. Aber: „Anders als bei vielen Techno-Partys, wo den meisten Leuten in erster Linie wichtig ist, dass die Musik pumpt, sind Breakbeat-Fans bereit, zuzuhören“.

Nicht, dass die Breakser nur am Rand der Tanzfläche stehen würden. Auf den etablierten Breakbeat-Partys –„Femmes with fatal Breaks“ im Bastard und „Dangerous Drums“ in der Maria – wird treu gerockt, was das Zeug hält, egal ob der Laden nun voll ist oder nicht. „Es geht vielleicht nicht bis 12 Uhr mittags“, sagt Vela „aber dafür sind auf unseren Partys auch keine Pillen im Spiel.“

Dangerous Drums mit u. a. Will White (Propellerheads), morgen ab 23 Uhr, Maria am Ufer, An der Schillingbrücke