Die Bosse rechnen mit Freispruch

57 Millionen Euro Prämien waren nicht im Sinne Mannesmanns – aber für eine Verurteilung von Esser und Ackermann reicht das wahrscheinlich nicht

VON CHRISTIAN RATH

Der spektakulärste Wirtschaftsprozess der deutschen Geschichte geht heute in seine letzte Runde. Im Mannesmann-Verfahren beginnen die Plädoyers. Josef Ackermann, Chef der Deutschen Bank und prominentester Angeklagter, rechnet mit einem Freispruch. Die Staatsanwaltschaft will dagegen nach wie vor eine Verurteilung erreichen. Sie hält die exorbitanten Prämienzahlungen, die bei Mannesmann nach der Übernahme durch Vodafone gezahlt wurden, für strafbar.

Es ist ein Prozess der Superlative. Nach wochenlanger Schlacht hatte im Februar 2000 der englische Mobilfunk-Gigant Vodafone das zweitteuerste Unternehmen Deutschlands geschluckt: 180 Milliarden Euro zahlten die Briten für Mannesmann. Anschließend erhielten aktive und frühere Vorstände von Mannesmann Extraprämien und Pensionen in Höhe von rund 57 Millionen Euro (damals 111 Millionen Mark). Davon gingen allein 15,8 Millionen Euro an den damaligen Vorstandsvorsitzenden Klaus Esser, der heute auch auf der Anklagebank sitzt.

Genehmigt wurden die Zahlungen am 4. Februar 2000 in einer Viererrunde, genannt „Ausschuss für Vorstandsangelegenheiten“. Diesem Ausschuss gehören vier Mitglieder des Mannesmann-Aufsichtsrates an. Josef Ackermann, Klaus Zwickel (damals IG-Metall-Chef), Klaus Ladberg (damals Betriebsratsvorsitzender bei Mannesmann) und Klaus Funk (Vorsitzender des Aufsichtsrats). Alle vier sind heute wegen Untreue angeklagt, doch ihre Rollen waren an diesem Tag sehr verschieden. Ladberg war krank und nahm an der Sitzung gar nicht teil, bei ihm wurde von Anfang an mit einem Freispruch gerechnet. Zwickel war nur per Telefon zugeschaltet, erhob gegen die „Anerkennungsprämien“ aber keinen Einspruch. Letztlich stimmten nur Ackermann und Funk dafür. Funk setzte sogar durch, dass auch er eine Prämie in Höhe von rund 4,5 Millionen Euro erhält, weil er als ehemaliger Mannesmann-Chef und Vorgänger von Klaus Esser ja auch große Verdienste um das Unternehmen hatte. Dies machte den ganzen Vorgang (unabhängig von der Höhe der Prämien) illegal, denn Funk durfte sich als Aufsichtsrat nicht selbst bereichern. Ackermann, Zwickel und Ladberg handelten dagegen uneigennützig. Die anderen Angeklagten sind Klaus Esser und sein Mitarbeiter Dietmar Droste. Esser soll den Prämienbeschluss vorbereitet haben und Droste hat ihn anschließend umgesetzt. Beide sind deshalb wegen Beihilfe zur Untreue angeklagt.

Ursprünglich wollte die Staatsanwaltschaft gegen Esser auch wegen Bestechlichkeit vorgehen. Ihr Verdacht: Vodafone-Chef Chris Gent hat sich das Nachgeben Essers im Übernahmepoker durch die Zusage saftiger Prämien erkauft. An diesem Punkt war die Anklage vom Düsseldorfer Landgericht zwar von vornherein nicht zugelassen worden, doch die Staatsanwälte kamen immer wieder darauf zurück. Bestechlichkeit konnte auch mit Blick auf einen anderen Akteur in Betracht kommen. Der Hongkonger Mischkonzern Hutchinson Whampoa war Großaktionär bei Mannesmann und hatte nach dem starken Anstieg des Mannesmann-Aktienkurses im Februar plötzlich auch ein großes Interesse am Zustandekommen des Verkaufs. Er machte so Milliardengewinne.

Letztlich haben aber weder Gent noch Hutchinson die Prämien mit ihrem Geld bezahlt. Vielmehr ließen sie nur zu, dass sich Esser aus dem Geld von Mannesmann vor der Übernahme selbst bedienen durfte. Außerdem haben mehrere Zeugen (wohl auch nach Absprache) im Verfahren ausgesagt, dass die Prämienfrage erst nach der Einigung zwischen Esser und Gent aufkam.

So bleibt vor allem der Vorwurf der Untreue im Raum. Die Ankläger glauben, die vier Aufsichtsräte hätten ihre Pflichten gegenüber dem eigenen Unternehmen verletzt, da es keinen Grund für die Prämienzahlungen gab und weil die Zahlungen auch viel zu hoch waren.

In einer Zwischenbilanz Ende März deutete die Vorsitzende Richterin Brigitte Koppenhöfer an, dass aber auch dies nicht für eine Verurteilung reicht. Zwar seien die Prämienzahlungen wohl nicht im Interesse des Unternehmens gewesen und daher ein Verstoß gegen das Aktienrecht. Eine Verurteilung wegen Untreue komme jedoch nur in Frage, wenn die Pflichtverletzung „schwerwiegend“ war, was Koppenhöfer in dem nichtöffentlichen Rechtsgespräch mit Anklage und Verteidigung wohl verneinte.

Diese Einschätzung stieß allerdings auf Kritik. „Wann sonst sollte eine Pflichtverletzung schwerwiegend sein, wenn nicht im Mannesmann-Verfahren, in dem es um mehr als 111 Millionen Mark geht“, sagte der Stuttgarter Rechtsanwalt Mark Binz, dessen Strafanzeige das Verfahren erst in Gang gebracht hatte.

Untreue sah Koppenhöfer nur bei der Prämie an Funk gegeben. Doch hier hätten sich Zimmermann und Co. in einem „unvermeidbaren Verbotsirrtum“ befunden, weil sie juristisch falsch beraten wurden. Auch dies stieß bei Binz auf Kritik, derartige Großzügigkeit sei „absurd“. Das Urteil wird noch im Juli erwartet. Die Staatsanwaltschaft will gegen die erwarteten Freisprüche Revision beim Bundesgerichtshof einlegen.