Der einfache Ausdruck

Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen zeigt die erste große Übersicht des Werkes von Donald Judd seit dem Tod des Künstlers. Der weltberühmte Amerikaner gilt als König der Minimal Art

VON MARIKA DRESSELHAUS

Auf dem Foto ist ein lichtdurchfluteter Ballsaal mit glatten Wänden zu sehen, spärlich möbliert, mittig steht ein riesiger Holztisch. Auf seiner warm schimmernden Platte liegt sorgfältig geordnet: ein Sammelsurium von Alltagsgegenständen. Brieföffner, Armbanduhr, Halsketten, Papierstapel, gespitzte Bleistifte. Kaum zu glauben, dass sich tatsächlich jemand so puristisch einrichtet und dabei faszinierend raumgreifend wohnt. Der amerikanische Künstler Donald Judd beschäftigte sogar eine Haushälterin, damit Dinge, die jeder andere in Schränken aufbewahrt, dauerhaft geordnet und staubfrei bleiben. Er ist der unbestrittene König der Minimal Art – der Kunstform der äußersten Reduzierung, Einfachheit und Klarheit. Der Texaner, dessen „spezifischen Objekte“ wohl am ehesten als „Zwischendinger“ aus Skulptur und malerischer Ausdrucksform bezeichnet werden können, wäre heute 77 Jahre alt. Doch er starb bereits vor zehn Jahren an Krebs. Das Düsseldorfer K20 widmete ihm mit 40 Leihgaben die erste umfassende Retrospektive nach seinem Tod.

In Raum Eins im Erdgeschoss stehen die ersten dreidimensionalen Arbeiten aus der Zeit von 1960 bis 1963. Nachdem Judd ab Ende der 40er Jahre zunächst ausschließlich malte, war er seit 1960 zunehmend dazu übergegangen, Wandarbeiten reliefartig und „vorspringend“ zu gestalten. Statt – wie bis dato in der europäischen Malerei üblich – durch den bewussten Einsatz von Farbe räumliche Tiefe auf einer planen Bildoberfläche vorzutäuschen, verwendete der Amerikaner neuerdings auch Sand, um tatsächliches Volumen darzustellen oder er schaffte Tiefe, indem er Backformen oder Plastikbuchstaben in seine Bilder einließ. Eins der wegweisenden Objekte aus dieser Periode ist ein kadmiumrot gestrichener rechter Winkel aus Holzpaneelen, die durch ein schwarzes Eisenrohr miteinander verbunden sind.

Mit der bewussten Einbeziehung von Raum als wahrnehmbarem Bestandteil eines Kunstwerkes schafft Judd als einer der ersten modernen Künstler eine Arbeit, die sich nicht mehr eindeutig der Malerei zuordnen ließ und wurde berühmt. „Ich denke, dass Raum als Hauptaspekt von Kunst von mir entwickelt wurde“, sagte er später selbst. Obwohl Judd seine Kunst als den „einfachen Ausdruck komplexen Denkens“ beschrieb und sich keineswegs als Minimalist sah, gilt er als Hauptvertreter dieser Kunstrichtung. Ihm gelang es Hierarchien unter Einzelelementen zu vermeiden und sie zu einer größeren, die Summe ihrer Einzelteile übersteigenden Einheit zu verschmelzen.

In den anderen Räumen dokumentieren seine typischen Stapel (stacks), Progressionen und quader- oder würfelförmigen Kästen (boxes) die weitere Entwicklung seines dreidimensionalen Werks. Judd, der auch als Kunstkritiker, Möbeldesigner, Architekt und Dozent arbeitete, bildete mit der Zeit seine eigene unverwechselbare Handschrift aus, indem er immer wieder ähnliche Arbeiten in abgewandelter Form produzieren ließ. Den Höhepunkt der Ausstellung bildet die Zusammenschau von Arbeiten aus den 80er und frühen 90er Jahren im Amerikanersaal. Auch die Ausstellungsmacher scheinen viel Zeit und Überlegung auf die konkrete Anordnung der Werke verwendet zu haben, denn der Besucher erlebt die unmittelbare Strahlkraft und beeindruckende Schönheit und Geradlinigkeit von Judds Arbeiten. Gerade beim Blick in den mehr als drei Meter langen rechteckigen Innenraum auf seine aus verschiedenfarbig lackierten Aluminiumquadern zusammengeschraubten Installationen von 1987. In diesem Innenraum spiegeln sich die grau, türkis und schwarz lackierten Farbflächen seiner an der gegenüberliegenden Wand platzierten Arbeit aus Aluminiumquadern in schachbrettmusterartiger Anordnung wieder. Der Künstler, der explizit gegen die europäische Tradition der Malerei ankämpfte, hat so auf einer planen Oberfläche räumliche Tiefe vorgetäuscht und wird zum Schöpfer optischer Illusionen.

Donald JuddK20 in der Kunstsammlung NRWbis 5. September 2004Infos: 0211-83810