Rentenverträge lähmen Rudis Riesen

Die durchwachsene Bilanz des deutschen Fußballs bei der EM in Portugal hat auch ökonomische Gründe: Ein Wittener Sportökonom fordert deshalb leistungsabhängigere Verträge mit kurzen Laufzeiten für die Bundesliga-Spieler

Es gibt einen nachweisbaren Zusammenhang zwischen den Vertragslaufzeiten und spielerischen Leistungen

WITTEN taz ■ „Im Tiefsten meiner Seele bin ich Ökonom“, gesteht Bernd Frick von der Universität Witten/Herdecke. Daher kann der Wirtschaftswissenschaftler mit dem Fachgebiet Sportökonomie auch keinen wirklichen Tipp zum Ausgang der Fußball EM in Portugal abgeben: „Wenn ich das wüsste, würde ich bei Oddset wetten.“ Über den Zustand des deutschen Fußballs kann er aber doch was sagen.

Die eher mittelprächtigen Leistungen deutscher Nationalmannschaften und Bundesligavereine in den letzten Jahren führt Fricke auf ökonomische Ursachen zurück. „Das Argument einer ständigen Überlastung oder Lustlosigkeit der Spieler lasse ich nicht gelten“, erklärt der Sportökonom. Ausschlaggebend etwa für die Misserfolge in den europäischen Pokalwettbewerben seien vielmehr unzureichende Verträge, die zu wenig Leistungsanreize enthielten: „Es mangelt an Motivation.“

1.000 Spielerverträge hat Fricke unter die Lupe genommen. Gewissenhaft haben er und seine Mitarbeiter dafür Informationen aus dem Kicker, Sport-Bild und der Welt gesammelt. Zudem gab es Insider-Hinweise von Leuten aus dem Spielbetrieb, so dass er sich ein recht umfassendes Bild von den Vertragsinhalten machen kann. „Es gibt einen wissenschaftlich eindeutig nachweisbaren Zusammenhang zwischen der Länge von Vertragslaufzeiten und spielerischen Leistungen“, sagt Frick.

Je kürzer die Vertragslaufzeiten seien, umso motivierter gingen die Kicker ans Werk. Länger laufende Verträge führten dagegen – empirisch betrachtet – zu schlechteren Leistungen. Ebenso verhält es sich mit variablen Gehaltsanteilen: „Teams mit hohen variablen Gehaltsanteilen sind erfolgreicher als solche, die weniger auf derartige Anreize zurück greifen“, meint Frick. In England, dessen Vereine recht erfolgreich auf dem internationalen Parkett auftreten, gibt es etwa Team-Bonifikationen, die von der Tabellenposition des Klubs abhängig sind – ein kollektives Motivationsinstrument.

In Italien und Spanien sieht die Situation im Profifußball allerdings auch kaum besser aus als in Deutschland, glaubt Frick. Die Gehälter liegen aber weit über dem schon hohen deutschen Niveau, wodurch Spitzenspieler aus der ganzen Welt angelockt würden. „Dort versucht man die ökonomischen Gesetze einfach außer Kraft zu setzen“, urteilt der Wirtschaftswissenschaftler: „Das wird aber nicht lange gut gehen, da die Verschuldung der Vereine gigantisch ist.“

Frick empfiehlt den deutschen Vereinen, die Spielerverträge auf den Prüfstand zu stellen: “Wir brauchen kürzere Laufzeiten, Bonusregelungen und Klauseln, die es dem Verein ermöglichen, sich bei Nichteinhaltung bestimmter Kriterien wieder vom Spieler trennen zu können.“ Neben England könnten vor allem die USA als Vorbild dienen. Dort würden in den Profi-Mannschaftssportarten inzwischen zwei Drittel aller Verträge mit solchen Klauseln ausgestattet. In Deutschland seien es gerade mal 20-25 Prozent, schätzt Frick.

Das hängt aber auch mit unterschiedlichen Traditionen zusammen: Während hiesige Fußballvereine eine Breitensport-Tradition haben, waren sie in den USA stets Unternehmen, die von Managern geführt wurden. Deutsche Klubs rekrutieren hingegen selbst ihr Topmanagement meist noch aus dem Kreis der ehemaligen Spieler.

Wie kommt der Rat des Ökonomen bei den Verantwortlichen an? „Eigentlich gar nicht“, sagt Fricke. Öffentlich wurde er von Michael Meier, dem Manager von Borussia Dortmund oder dem ZDF-Sportchef Wolf-Dieter Poschmann abgebügelt. Zu kühl kalkuliert sei seine Kritik. Ihm fehle wohl an Stallgeruch in der Szene, gibt der Professor zu bedenken.

Mit dem Herzen ist er trotzdem dabei. Und deshalb hat er einen Wunsch-Europameister. „Portugal wäre schön, ich bin mir aber nicht sicher, ob das klappt“, so Fricke: „Wahrscheinlich läuft es doch wieder auf Frankreich hinaus.“ HOLGER ELFES