ThyssenKrupp verdichtet Heimaterde

Mit Hilfe des Denkmalschutzes versucht eine Mülheimer Bürgerinitiative den Ausbau der Arbeitersiedlung ‚Heimaterde‘ zu stoppen. Thyssen-Krupp will weiter „moderat verdichten“, die Stadt scheint hin und hergerissen

Mülheim taz ■ Das Bergbau-Wohnviertel „Heimaterde“ in Mühlheim verliert seinen ursprünglichen Charakter. Das befürchtet die Bürgerinitiative „Historische Gartenstadt Heimaterde“. Seit zwei Jahren kämpft sie gegen den schleichenden Ausbau der Arbeitersiedlung von 1919 an. Unterdessen landen bei der Stadt immer neue Bauanträge für Straßen und Wohnhäuser.

„Unsere Gartenstadt muss schnellstmöglichst unter Denkmalschutz gesetzt werden“, sagt Dietmar Berg, Sprecher der Bürgerinitiative (BI). Rückendeckung erhält er unter anderem vom städtischen Gestaltungsbeirat, den Grünen und von Lothar Reinhard, der für die Mühlheimer BIs (MBI) im Rat sitzt. „Die Stadt tut nichts“, sagt er. Dabei habe vor der Oberbürgermeisterwahl 2003 auch das jetzige Stadtoberhaupt Dagmar Mühlenfeld (SPD) angekündigt, sich um den Schutz der Siedlung zu kümmern. Seit 2000 läge außerdem das Gutachten von Architekt Roland Günter vor, der als Vorsitzender des Deutschen Werkbunds den Denkmalschutz für die Gartenstadt nahe gelegt.

Die Oberbürgermeisterin fühlt sich von den Denkmalschützern zu Unrecht angegriffen: „Ich habe alle Wahlversprechen gehalten“, sagt Mühlenfeld. Sie habe Bauvorhaben gestoppt, einen Gestaltungsbeirat gegründet und ein Gutachten in Auftrag gegeben. Aber klare Position bezieht sie nicht: „Wir wollen den Gartenstadt-Charakter nicht gefährden, aber eine ‚moderate Nachverdichtung‘ muss möglich sein“, so die Stadtchefin.

Thyssen-Krupp Immobilien bringt weitere Argumente für ihre neuen Bauvorhaben: „Viele der Gärten sind zu groß, um sie zu bewirtschaften“, meint Sprecherin Bettina Benner. Da würden neue Wege oder Straßen nicht stören. Außerdem würde durch neue Einfamilienhäuser die Altersstruktur in der Siedlung „aufgefrischt“. „Wir tun so viel für die Siedlung“, sagt Benner. Unter anderem unterstützten sie den Siedlerverein, den Gründer der Gartenstadt.

„Die sind Helfershelfer von Krupp“, sagt BI-Sprecher Berg. Für 3.500 Euro Zuschuss zur Vereinskasse seien diese bereit, die Siedlung zur freien Gestaltung freizugeben. Auch den Einsatz der Stadt hält Berg für halbherzig: „Die Initiative für den Denkmalschutz liegt bei den Kommunen.“ In einem Dokument, das der taz vorliegt, empfiehlt das Rheinische Amt für Landespflege bereits 2003 für die Gartenstadt einen Denkmalschutzbereich auszuweisen.

Die SPD hat in der Heimaterde-Siedlung besonders viel an Boden verloren: Bei der Europawahl 1999 erreichten sie dort 52 Prozent, vor zwei Wochen waren es nur noch 37 Prozent. „Das war hier einmal eine SPD-Hochburg“, sagt Berg. Dafür hätten die Grünen in der historischen Gartenstadt mehr als das Doppelte an Stimmen dazugewonnen. „Das ist kein Zufall“, sagt Berg.

NATALIE WIESMANN