Gut auch im zweiten Leben

Die Deutsche Solar AG macht aus alten Zellen neue Wafer und ist damit Vorreiter der Branche. In einigen Jahren sollen auch Solarmodule unter die europäische Elektronikschrott-Richtlinie fallen

VON BERNWARD JANZING

Es ist nur ein Nebensatz, und er steht in Klammern – trotzdem wird er für die Solarbranche folgenschwer sein. Nachzulesen in Artikel 13 der EU-Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte, kurz „Elektronikschrott-Richtlinie“ genannt. Dieses Papier mit dem Kürzel 2002/96/EG macht klar, dass eines Tages auch „photovoltaische Erzeugnisse“, das heißt Solarpaneele, unter diese Richtlinie fallen: „Anpassung an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt.“

Im Klartext: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch die Solarbranche für ihre Module Rücknahmesysteme entwickeln und Recyclinganlagen aufbauen muss. Noch hat sie nach der aktuellen Richtlinie Schonfrist, während andere Branchen des Elektronik-Sektors bereits ab August 2004 die Entsorgung ihrer Produkte regeln müssen.

In Wirtschaft, Wissenschaft und Politik hat man die ausgemusterten Solarmodule daher längst im Blick – speziell das Umweltbundesamt sorgt sich bereits darum. Die Berliner Fachbehörde gab schon vor zwei Jahren eine Studie in Auftrag mit dem Thema „Stoffbezogene Anforderungen an Photovoltaikprodukte und deren Entsorgung“. Auftragnehmer waren das Hamburger Institut für Ökologie und Politik (Ökopol) und das Institut für Energetik und Umwelt in Leipzig. In diesen Wochen wurde die Untersuchung abgeschlossen.

Um die weitere Debatte durch Mengenangaben zu versachlichen, errechneten die Autoren zunächst eine „Absterbekurve“. Anfangs ist sie noch flach, steigt dann aber ab dem Jahr 2020 immer steiler an. Nachdem das Abfallaufkommen an Modulen laut Ökopol im Jahre 2002 in Deutschland noch bei 290 Tonnen lag, werde es 2010 bei über 1.100 Tonnen und 2040 bei 33.500 Tonnen liegen. Von 103,6 Kilogramm, die pro Kilowatt angesetzt werden, entfallen 4 Prozent auf die Zellen.

Ferner analysieren und bewerten die Wissenschaftler alle denkbaren technischen Verfahren. So soll diese Faktensammlung der Politik helfen, die Rahmenbedingungen für eine Modulentsorgung zu schaffen. Unterdessen gibt es seit Mai vergangenen Jahres im sächsischen Freiberg bereits ein Pilotprojekt zum Modulrecycling. Die Anlage gehört der Deutschen Solar AG und ist nach Firmenangaben die weltweit erste zum Recycling kristalliner Solarzellen und Module. Der Bundesforschungsminister fördert das Projekt, das zusammen mit der Technischen Universität Freiberg entwickelt wurde, mit 1,3 Millionen Euro.

Die Anlage wird nicht einfach das Silizium der Zellen zurückgewinnen, sondern aus unbeschädigten Zellen die Wafer extrahieren. „Das ist ökonomisch notwendig“, sagt Karsten Wambach von der Deutschen Solar, „denn nur über eine Rückgewinnung der unbeschädigten Solarzellen und Wafer ist das Recycling kostendeckend möglich.“ Der Wafer mache 40 Prozent der Kosten eines fertigen Moduls aus.

In der Anlage, deren Jahreskapazität Wambach mit 1 Megawatt im Einschichtbetrieb angibt, werden die Module bis auf 600 Grad erhitzt, wodurch der Kunststoffanteil verbrennt. Manuell werden die verbleibenden Stoffe getrennt. Glas und Metalle können dann eingeschmolzen werden. Die Solarzellen, die durch die Erhitzung nur oberflächlich leicht angegriffen sind, werden in mehreren Ätzschritten gereinigt. Dabei wird zugleich alles entfernt, was bei der Herstellung der Zelle auf dem Wafer aufgebracht wurde – etwa die Antireflexschicht und die Kontaktbahnen. Bruchstücke der Zellen werden anschließend eingeschmolzen.

Aus unbeschädigten Zellen werden auf diese Weise wieder Siliziumwafer; sie sind nach Firmenangaben neuwertig. „Weder elektrisch noch optisch unterscheiden sich die zurückgewonnenen Wafer von Neuware“, sagt Wambach. Die daraus gefertigten Zellen würden gegenüber den ursprünglichen Zellen sogar noch aufgewertet, da die Solarzellentechnik sich stetig verbessere. Die recycelte Zelle, sagt Wambach, sei daher „im Wirkungsgrad besser als in ihrem ersten Leben“. Da sie allerdings durch den Prozess etwas dünner werde, könne man jede Zelle nur „etwa viermal“ recyceln.

Aus wirtschaftlicher Sicht ist das Verfahren nach Firmenangaben für alle Beteiligten attraktiv. Die Lieferanten der alten Module bezahlten bei überwiegend unbeschädigten Zellen nur 80 Euro Entsorgungsgebühr pro Tonne – weniger als die übliche Deponiegebühr. Der Käufer der Recycling-Wafer bezahle 10 Prozent weniger als für Neuware, was unter anderem durch einen um 80 Prozent reduzierten Energiebedarf möglich wird.

Unterdessen sind die Pläne bei den anderen Firmen der Branche noch deutlich weniger konkret. „Wir sind mit der Deutschen Solar in engem Kontakt, haben aber kein eigenes Projekt“, sagt Winfried Hoffmann, Sprecher von RWE Schott Solar. Auch Brenda Hilbig von BP Solar erklärt, dass sich ihr Unternehmen mit Investitionen noch zurückhalte, weil es „derzeit noch nicht genug Masse“ gebe: „In 20 Jahren fängt das erst an sich zu rentieren.“ Ebenso hat auch Shell Solar kein eigenes Projekt, wenngleich man Verfahren „in der Schublade liegen“ habe, wie Firmensprecher Michael Henne versichert. „Die Deutsche Solar“, sagt dann auch Wissenschaftlerin Stéphanie Zangl von Ökopol, „ist die einzige Firma, die derzeit Bewegung in die Sache bringt.“