Der Papst des Rock’n’Roll

Er hat eine bezaubernde Frau, drei wohl geratene Söhne, und früher, so erzählt er, war er der Protégé der Vegesacker Bikerbande: Rainer Umlauf hält als Radio DJ im Offenen Kanal den Soundtrack seiner Jugend am Leben

„Man nennt mich auch Rock’n’Roll-Papst“ – Rainer Umlaufs stolz geschwellte Brust muss man sich vorstellen, denn der Rock’n’Roll-Papst ist ein eher schmächtiges Kerlchen. Er sitzt auf der Ecke seines Sofas, raucht eine Reval nach der anderen, und zwei Hunde schnüffeln herum.

Seine Frau kocht Kaffee, während Umlauf erzählt, weshalb sich in seinem akkurat-bürgerlichen Wohnzimmer mehr als 20.000 Tonträger stapeln. Die meisten davon sind alte Rock’n’Roll-Aufnahmen, viele rare Originale vor allem aus den 50ern und 60ern.

„Damals bin ich regelrecht infiziert worden“ schwärmt der 60-jährige, „Rock’n’Roll war der Soundtrack meiner Jugend.“ Auch wenn seine Mutter natürlich meinte, „diese Negermusik kann man sich doch nicht anhören.“ Da würde man doch verrückt dabei. Umlauf schmunzelt.

Rock’n’Roll Radio heißt seine Sendung im Offenen Kanal Bremen, jeden Mittwoch von 9 bis 11 Uhr. Die einhundertste Sendung hat er gerade hinter sich gebracht – großes Jubiläum, eine Stunde Extra-Sendezeit.

Bei Rock’n’Roll Radio legt Umlauf Wert darauf, dass diese Musik in den Schwarzenghettos Amerikas entstanden ist. Er zitiert den Chef einer Plattenfirma: „‘Bringt uns einen Weißen, der wie ein Schwarzer singt!‘ Und das war der King. Elvis!“

Die US-Musikindustrie führte damals noch zwei verschiedene Charts, eine mit Titeln schwarzer Künstler und eine andere für weiße Sänger, die aber hauptsächlich die Songs der Schwarzen interpretierten. Das war in den 50ern, und Rainer Umlauf ging mittags in Gert Augustins Twen Club, um die neuesten Singles zu hören und Cola zu trinken.

Der Rest ist Geschichte. Doch niemand kennt sie: „Rock’n’Roll wird nicht gespielt“ klagt Umlauf die privaten und die öffentlichen Radiostationen heute an: „Die unterscheiden sich auch nicht mehr.“ Umlaufs Konzept heißt Nische: wieder auskramen, was sein Leben und das ganzer Generationen geprägt hat. Nach 18 Monaten als Jungspund bei der Bundeswehr bekam Umlauf sofort DJ-Jobs in Discos, lernte Spediteur („gaanz durchtriebene Menschen …“), schmuggelte hier und da mal Zigaretten und arbeitete als Berater – „ein weites Feld“.

In Hometown Bremen-Vegesack war er der Protégé der lokalen Bikerbande: „Die waren berüchtigt, gefürchtet und überall unten durch. Aber meine Leibwächter. Wenn’s mal Stress gab mit irgendwem, musste ich nur mit dem Finger schnipsen, und die kamen und trugen den weg.“ Trugen ihn weg? „Ja.“ Die Zivilisation ist nicht aufzuhalten.

Jahrelang legte Umlauf dann auch bei Radio Bremen auf; heute ist ihm das Programm zu gleichförmig. „Die bekommen auch alle praktisch ihre Musik vorgeschrieben“, weiß Umlauf. „Ich würd’s ablehnen, mich irgendeinem seltsamen Musikredakteur unterzuordnen.“

Allein – wer hört den Offenen Kanal? „Bei einer Umfrage soll der so gut abgeschnitten haben, dass man das Papier gleich wieder in die Schublade gesteckt hat. Werbegelder sichern ist angesagt.“ Umlauf will kein Geld. Er ist nur froh, dass sein Hobby so gut ankommt. „Das soll aber auch Hobby bleiben“, sagt er. Trotzdem gilt das Schlusswort seiner Sendung: „Rock’n’Roll ist“, na was wohl, „erste Bürgerpflicht!“ Robert Best

Rock’n’Roll Radio: Jeden Mittwoch, 9 bis11 Uhr, Offener Kanal Bremen, Empfang auf UKW 92,5MHz