Teilsieg für Opfer der Bhopal-Katastrophe

Indiens Regierung stimmt Urteil eines New Yorker Gerichts zu. Möglicher Präzedenzfall für die Haftung von US-Firmen

DELHI taz ■ Die Opfer der Giftgaskatastrophe von Bhopal haben in ihrem Kampf für Bestrafung der Verantwortlichen einen wichtigen Teilsieg errungen. Bereits im letzten März hatte das Berufungsgericht in New York ein Urteil des Bezirksgerichts in dieser Sache umgestoßen. Damit kann Dow Chemicals nun gezwungen werden, für Schäden im Boden und Wasser aufzukommen, die der schwere Unfall vor 19 Jahren angerichtet hatte.

Dow Chemicals ist Rechtsnachfolger von Union Carbide Corp. (UCC), auf deren Fabrikgelände im November 1984 Methylisozyanat ausgetreten war, dem mehrere tausend Menschen zum Opfer fielen. Die Angaben der unmittelbaren Todesopfer reichen von 3.000 bis 8.000, die mit bleibenden Gesundheitsschäden zwischen 300.000 und einer halben Million. Da das Fabrikgelände in staatlichem Besitz ist, musste Indiens Regierung zu diesem Urteil des Appellationshofs noch ihr Einverständnis geben. Dieses ist nun erfolgt und zwingt die US-Firma, die auf mehrere tausend Tonnen geschätzten Schadstoffe zu entfernen.

1989, fünf Jahre nach der Katastrophe, hatten UCC und Indiens Regierung einen Vergleich geschlossen, der UCC gegen Bezahlung von 450 Millionen Dollar aus jeder weiteren Verantwortung entließ. Diese Lösung war von den Opfern immer abgelehnt worden, da sie in keiner Weise der Größe des Leidens und der gesundheitlichen Schäden Rechnung trug. Mehrere Anläufe, vor US-Gerichten Genugtuung zu erhalten, wurden abgewiesen mit dem Hinweis, dass der Vergleich von 1989 vom Indiens Oberstem Gericht gutgeheißen wurde und daher gültig sei.

Auf Betreiben von Greenpeace strengten einige Opfer 1999 einen separaten Zivilprozess an, der die Verantwortlichkeit von Dow Chemicals für die materiellen Schäden zu etablieren suchte. Auch dies wurde zunächst abgelehnt, doch erhielten die Kläger jetzt in der Berufung Recht.

Das jüngste Urteil kommt nicht direkt den Opfern zugute. Doch könnte es eine Präzedenzwirkung haben. Satinath Sarangi, einer der Bhopal-Aktivisten, meinte am Mittwoch in Delhi, dieser Fall anerkenne zwar nur das auf die natürlichen Umweltschäden bezogene Verursacherprinzip. Der New Yorker Entscheid ließe sich aber auch so interpretieren, dass US-Firmen für ihr Verhalten im Ausland auch in den USA zur Verantwortung gezogen werden können. Sarangi war zu Wochenbeginn mit anderen Aktivisten in der indischen Hauptstadt in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Sie wollten damit Indiens Regierung zwingen, endlich ihr Einverständnis zum Gerichtsbeschluss von New York zu geben.

Der Fall zeigt ein weiteres Mal, dass nicht nur der US-Konzern seine moralische Verantwortung bisher missachtet hat. Dass die Bhopal-Opfer 19 Jahre nach der schwersten Industriekatastrophe der Geschichte immer noch auf ihr Recht und finanzielle Genugtuung warten, liegt auch am indischen Staat. Dank dessen bürokratischer Indifferenz und Korruption kamen die Opfer noch nicht einmal in den vollen Genuss des von UCC geleisteten Schmerzensgelds.

BERNARD IMHASLY