Im Vertrag steht Mietzweck „Bandproben“

Eisenhüttenstadt vermietet einen Proberaum an eine Neonazi-Band. Ein Jahr passierte nichts. Laut Polizei waren am Samstag laute „Heil Hitler“-Rufe zu hören. Nun will die Stadtverwaltung über eine Kündigung zumindest nachdenken

Beim Liegenschaftsamts der Stadtverwaltung Eisenhüttenstadt gibt man den Vogel Strauß. Rechtsextremisten? Polizeieinsatz? In einem städtischen Objekt? „Ich weiß davon gar nichts“, heißt es dort stereotyp auf Fragen nach den derzeit umstrittensten Mietern einer städtischen Liegenschaft in der Stahlstadt.

„Kontra“ nennt sich das Quartett von Anfang 20-jährigen Bilderbuch-Naziskins, das seit über einem Jahr in der geräumigen Baracke in der Nähe des EKO-Stahlwerks probt. Im Internet präsentiert sich die Band mit einer eigenen Homepage und einer Demo-CD zum Herunterladen. Diese offeriert Gesinnungsfreunden mit Titeln wie „Wir sind stolz“ oder „Sitte&Anstand“ offen rechtsextreme Texte. Auf Fotos bekennen sich die Bandmitglieder offensiv zu ihren musikalischen Vorbildern – der Neonaziband Landser, der zurzeit wegen des Vorwurfs der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ in Berlin der Prozess gemacht wird.

Für Rechtsextremismusexperten gehören Kontra ebenso wie die Neonaziband Weor aus dem benachbarten Frankfurt (Oder) zu denjenigen lokalen Rechts-Rock-Bands, „die zum wichtigen Kristallisationspunkt der rechten Szene vor Ort geworden sind“, so Paul Rothe vom Sprecherrat der „Aktion Courage“ in Eisenhüttenstadt. In dem Proberaum hätten zudem auch Partys und kleinere Konzerte stattgefunden, sodass sich die städtische Baracke seit längerem zum Anlaufpunkt für den harten Kern der Rechtsextremisten sowie zur „Schnittstelle zwischen rechts orientierter und unpolitischer Jugendszene“ entwickelt habe.

Vergangenen Samstag fanden sich zu einer „öffentlichen Probe“ von Kontra drei Dutzend Männer – vom Teenager bis zum 46-Jährigen – in der städtischen Baracke ein. Glaubt man der Polizei, sollen dabei Rufe wie „Hier marschiert die SA““ und „Heil Hitler!“ bis zur Straße zu hören gewesen sein. Grund genug für die Polizeisondereinheit „Mobile Einsatzgruppe gegen Gewalt und Aggression“ (Mega), einzuschreiten und ein knappes Dutzend Personalien festzustellen.

Bei der Stadtverwaltung heißt es, der Mietvertrag für die umstrittene Baracke sei mit Privatpersonen abgeschlossen worden, die als Mietzweck „Bandproben“ angegeben hätten. Nachdem die Stadt von den rechten Inhalten erfahren habe, sei intensiv mit den Sicherheitsbehörden zusammengearbeitet worden. Bislang sei es aber schwierig gewesen, den Mietvertrag zu kündigen. Nun allerdings überlege man, die Band vor die Tür zu setzen.

„Darüber ist schon ein Jahr erfolglos nachgedacht und debattiert worden“, kritisiert Paul Rothe von der Aktion Courage. Man könne sich nicht „Stadt ohne Rassismus“ nennen und sich gleichzeitig vor „unbequemen Entscheidungen drücken“.

HEIKE KLEFFNER