Der Todesradler von Obergrombach

Ein geheimnisvoll grinsender Fahrradfahrer lehrt die badische Landbevölkerung das Grauen

Gut, dass es eine Schwester gibt, die einen hin und wieder in dem langweiligen Nest Berlin besucht. Sonst würde man nie erfahren, was die pulsierende Badenmetropole Bruchsal Aufregendes zu bieten hat: zum Beispiel den „Todesradler“ von Obergrombach, der die Landbevölkerung zwischen Ober- und Untergrombach seit einiger Zeit das Grauen lehrt.

Wie ein Phantom, so berichten Augenzeugen, tauche der „Todesradler“ plötzlich aus dem Nichts auf, um nach verrichtetem Erschrecken ebenso schnell wieder ins Nichts zurückzuradeln. Schaudernd fällt einem da der Geist des Deichgrafen im „Schimmelreiter“ ein, der meist nur in mondlosen Storm-Nächten auf dem Deich auftaucht, um Unheil anzukündigen– auch wenn der düstere Graf das seiner Zeit entsprechende Fortbewegungsmittel mit einem PS nutzt.

Beim „Todesradler“ von Obergrombach geschieht es am hellichten Tag. Er ist mit allen Reifen gerüstet. Seine bevorzugten Opfer sind arglose Autofahrer der Daimler’schen S-Klasse. Bei Fußgängern macht er keine Klassenunterschiede, traut sich jedoch nur an Frauen, Kinder und alte Leute heran.

Die vielen aufmerksamen Beobachter, die im ländlichen Raum ja glücklicherweise immer in ihren Vorgärten bereitstehen, schildern den Tathergang so: Zunächst presse sich der böse Biker heimtückisch eng und offenbar gezielt den toten Winkel ausnutzend an die Fonds der Automobile. Oft nur Millimeter vom teuren Lack entfernt, verharre er dort heftig strampelnd, um dann neben Fahrer oder Beifahrer aufzutauchen und sinnlos ins Wageninnere zu grinsen.

Den Namen „Todesradler“ hat sich der Unbekannte allerdings noch nicht wirklich verdient. Aber immerhin ließ er bereits einige seiner Opfer erfolgreich zu Tode erschrocken zurück. In einem Fall musste sogar die Ambulanz anrücken. Einem älteren Herrn war bei einer Grinsattacke des „Todesradlers“ der Herzschrittmacher derart aus dem Takt geraten, dass er seinen Jaguar mit großer Treffsicherheit in die nächsten Blumenkübel steuerte. Immerhin hatte sich die Investition der Kommune gelohnt. Sie waren zur Geschwindigkeitsbegrenzung aufgestellt worden.

Die Obergrombacher und die Untergrombacher sind ratlos. Was tun gegen ein solches Monstrum der Straße? Videoüberwachung aller Fahrradläden? Bikende Polizisten als getarnte Ermittler? Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) fürchtet um das Ansehen der in friedlicher Absicht vor sich hin radelnden Sattelsitzer. Jetzt wird sogar eine Fahrrad-Lichterkette in Erwägung gezogen – als Mahnung an den Täter und als Zeichen der Hoffnung für Ober- und Untergrombach. AGNES STEINBAUER