Steinbrück setzt auf Sieg bei Landtagswahlen

NRW-Regierungschef will CDU-Oppositionsführer Jürgen Rüttgers stellen – setzt aber weiter auf die Agenda 2010

DÜSSELDORF taz ■ Gut gelaunt und angriffslustig meldet sich Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) nach seiner Lungenentzündung zurück. Steinbrücks Botschaft: Die SPD kann die auch in Teilen der Partei bereits verlorenen geglaubten Landtagswahlen gewinnen – und CDU-Herausforderer Jürgen Rüttgers ein weiteres Mal auf die Oppositionsbank verbannen. Rüttgers Politik sei beliebig und sprunghaft. „Haben Sie eigentlich irgendeine Vorstellung, wo Herr Rüttgers inhaltlich steht“, fragte Steinbrück gestern vor Journalisten in Düsseldorf: In der Steuerpolitik, der Frage der Zukunft der sozialen Sicherungssysteme, der von CDU-Bundesparteichef Angela Merkel favorisierten Kopfpauschale im Gesundheitswesen – Rüttgers agiere populistisch und sprunghaft.

Selbst steht der Regierungschef aber weiter zum umstrittenen Sozialabbau der Reformen der Agenda 2010. Zwar sei ihm „klar, dass die Reformen das Herz der Gewerkschaftsbewegung treffen“, sagte Steinbrück und nannte beispielhaft die Einschränkung des Kündigungsschutzes, die Verpflichtung Arbeitssuchender, bald jeden noch so schlecht bezahlten Job annehmen zu müssen und besonders die Absenkung der bisherigen Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau. Dennoch werde „der deutsche Sozialstaat nicht aus den Angeln gehoben“ – diese „Rhetorik“ gehe an der Realität vorbei. Keineswegs werde der von seinem Kabinett unterstützte Agenda von SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder von einer Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt, glaubt Steinbrück: „Die Grünen stehen ebenfalls für den Reformkurs und werden nicht abgestraft.“

Dass es der SPD derzeit aber an einem erkennbaren sozialen Profil mangelt, scheint auch der Ministerpräsident zu ahnen: In der Frage der Einführung eines Mindestlohns wollte sich Steinbrück nicht festlegen. Dennoch wird mehr Eigenverantwortung eingefordert – der Spitzenkandidat der SPD glaubt an den durch die Finanzlage erzwungenen Teilrückzug des Staates: Die Grundlinien seiner Politik seien eine solidarische Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme „ohne Vollkaskomentalität“, die „Chancengleichheit“ in Bildungs- und Gesundheitswesen – daraus werde eine sich selbst tragende „Wachstumsdynamik“ entwickeln, warb Steinbrück.

Spekulationen, er arbeite an einer schleichenden Entmachtung von SPD-Landesparteichef Harald Schartau, wies der Regierungschef dagegen entschieden zurück. „Gerüchte gibt es immer.“ Er stehe zu seinem Wirtschafts- und Arbeitsminister, so Steinbrück: „Wir sind uns beide bewusst, dass wir miteinander klarkommen müssen.“ Erst recht werde in der steuerfinanzierten Staatskanzlei kein „Headquarter“ eingerichtet, aus dem heraus Wahlkampf betrieben werde: „Ich bin doch nicht beknackt.“

Ans Aufhören denkt der Ministerpräsident also nicht immer – aller Aufregung um seine Andeutungen in der ARD-Sendung Maischberger zum Trotz, in der Steinbrück über eine Zukunft als „Publizist“ nachgedacht hatte: „Ich würde genauso antworten.“ Weiter mit Werbung.

ANDREAS WYPUTTA