Umweltpioniere wider Willen

Landwirte im bergischen Kürten sind noch skeptisch über den Bau eines ökologischen Gewerbegebiets. Die grüne Umweltministerin Bärbel Höhn leistete Überzeugungsarbeit

KÜRTEN taz ■ Zuerst hielt sich selbst der Regen an die Agenda der Bärbel Höhn. Bis 14 Uhr sollten die grüne Ministerin, Kürtener Lokalpolitiker und interessiertes Publikum unter dem Wellblechdach des Sägewerks Lenninghausen stehen. Und so kam es auch. Zwei Minuten später prasselte das Nass hernieder. „ Klingt fast wie Applaus“, freute sich Kürtens Bürgermeister Ulrich Iwanow.

So eine Ministerin kommt schließlich nicht alle Tage in die bergische 20.000-Einwohner-Gemeinde. Es war das Agenda 21-Projekt Unterossenbach, für das Höhn noch einmal kräftig die Werbetrommel rührte. Schon seit Jahren ist das Pilotprojekt „Ökologisches Gewerbegebiet“ in Arbeit – finanziell und wissenschaftlich unterstützt vom NRW-Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt. Im Sägewerk Lenninghausen versammelte man sich diese Woche, weil der Eigentümer eine umweltfreundliche Fernwärmeanlage betreibt, die er seit 20 Jahren mit seinen Holzabfällen befeuert. Für den geplanten Gewerbepark will er eine weitere Anlage bauen.

„Neuartig ist, dass sich hier in Unterossenbach nicht nur ökologisch ausgerichtete Betriebe ansiedeln können, sondern auch ganz normale“, hob Höhn hervor – und verschwieg nicht, dass sie die Vorbehalte der ortsansässigen Unternehmer kennt. Die hatten nämlich vor zwei Wochen auf einem Workshop heftiges Unbehagen gegenüber den vermeintlich bürokratischen Öko-Auflagen gezeigt. Höhn hielt dagegen: „Die ersten muss man immer überreden“. Sie verwies auf das Projekt Ökoprofit, an dem sich nach ihren Worten mittlerweile schon 250 Unternehmen beteiligen. Es soll Umweltschutz, Kostenersparnis und Gewinnmaximierung verbinden. Weil es bisher keine Vorbilder gebe, habe das Projekt Unterossenbach aber auch eine einzigartige Ausstrahlungskraft. „Gute Sachen verbreiten sich von selbst“, sagte Höhn. So habe die Stadt Leverkusen jüngst Interesse gezeigt, das bisher konventionell geplante Gewerbegebiet „Die Bahn-Stadt Opladen“ ökologisch zu erschließen.

Nach der Rede sorgte ein Landwirt für Aufsehen: Hans-Georg Ebert verliert durch das Gewerbegebiet Pachtland. „Hier wird die Landwirtschaft abgedrängt“, rief er der Ministerin zu. Bürgermeister Iwanow griff ein: „Die Gemeinde ist Ihr Ansprechpartner, nicht das Umweltministerium“. In erregtem Tonfall ging es weiter. Ebert monierte, dass die Gemeinde ihm keine Lösung unterbreitet habe. „Wir haben doch schon die Randbegrünung reduziert, damit Sie möglichst viel Land behalten“, erwiderte Iwanow. Doch von dieser Lösung sei ihm noch nichts mitgeteilt worden, sagt Ebert. Im Durcheinander der Auseinandersetzung reiste Bärbel Höhn ab – zum nächsten Termin. Diesmal verweigerte der Regen den Schlussapplaus. INGE BRUNNER