Nicht gleich zur Alterspille greifen

Viele Ärzte verordnen die Hormontherapie auch dann, wenn noch gar keine Beschwerden aufgetreten sind

Unsere Großmütter und Urgroßmütter sind mit ihren Wechseljahrsbeschwerden allein klargekommen. Seit 30 Jahren aber können Frauen diesen Beschwerden entgehen. Viele Frauenärztinnen und Frauenärzte empfehlen, gewissermaßen im Anschluss an die „reproduktiven Jahre“, eine Hormontherapie: die so genannte Alterspille. Diese Tabletten, die Östrogene und Gestagene enthalten, sollen die unerwünschten Effekte der Hormonumstellung im Körper älterer Frauen auffangen, und das auch schon, wenn die Frauen noch gar keine Beschwerden haben.

In Deutschland nehmen etwa die Hälfte der Frauen in den Wechseljahren künstliche Hormone. Dabei haben nur etwa ein Drittel der Frauen um fünfzig stärkere Beschwerden. Da die Hormone auch gegen andere Erkrankungen vorbeugen sollen, werden sie weit über die Zeit der Hormonumstellung im Körper der Frau hinaus eingenommen.

In einer Auswertung von Krankenakten in Bremen stellte das Bremer Institut für Prävention und Sozialmedizin (BIPS) fest, dass sogar noch 5 Prozent der 92- bis 97-jährigen Frauen Hormone schlucken. Insgesamt nehmen in Deutschland 5 Millionen Frauen die von den ÄrztInnen verschriebenen Hormone ein, und sie nehmen sie doppelt so lange ein wie Frauen beispielsweise in Großbritannien.

Zahlen aus Bremen belegen, dass die Einnahmedauer zwischen neun und elf Jahren liegt. Viele Frauen geben zu, dass sie gar nicht wissen, wie sich die Wechseljahrsbeschwerden angefühlt hätten – falls sie aufgetreten wären.

Frauengesundheitszentren empfehlen, die Wechseljahre mit Ruhe anzugehen. Phytoöstrogenhaltige Ernährung – das heißt pflanzliche hormonähnliche Substanzen – kann Linderung verschaffen. „Die Wechseljahre sind ein guter Anlass, über Ernährung nachzudenken“, sagt Professor Petra Kolip, Sozialepidemiologin an der Uni Bremen. Aber sie hält nichts davon, gleich zu Phytoöstrogentabletten zu greifen.

In kulturvergleichenden Studien stellte sich heraus, dass Wechseljahrsbeschwerden sehr unterschiedlich definiert werden können. „Die Japanerinnen klagten über steife Schultern und über Klingelgeräusche in den Ohren“, berichtet Kolip. Wahrscheinlich hängen die Wechseljahrsbeschwerden mit der Stellung der Frau in der Gesellschaft zusammen, vermutet sie. „In asiatischen Kulturen erfährt eine älter werdende Frau Aufwertung. Sie gilt als weise.“

Tipps für die Prävention von Osteoporose, die auf die westliche Welt zugeschnitten sind: kalziumreiche Ernährung, Vitamin D, körperliche Aktivität, Hüftprotektoren.

GUDRUN FISCHER