Gefährliche Nebenwirkungen

Die Hormonersatztherapie in den Wechseljahren gerät immer mehr in die Kritik. Neue Ergebnisse offenbaren weitere negative Effekte der Hormonpillen. Behörde prüft derzeit, ob die Zulassung der Medikamente geändert werden muss

von GUDRUN FISCHER

Bei dem Streit über die gesundheitlichen Folgen der Hormonersatztherapie bei Beschwerden in den Wechseljahren stehen sich Mediziner, Epidemiologen und Vertreter der Pharmaindustrie weiterhin unversöhnlich gegenüber. Neuere Auswertungen einer großen in den USA durchgeführten Studien bestätigten jetzt, dass die negativen Effekte der zusätzlich aufgenommen Hormone nicht unterschätzt werden dürfen.

Rund 30.000 Frauen nahmen an der seit 1996 in den USA durchgeführten Studie der „Women’s Health Initiative“ (WHI) teil. Die eine Hälfte schluckte Hormonpräparate, die andere nahm Placebos. Untersucht werden sollte, ob die Hormonpräparate, die eigentlich gegen Wechseljahrsbeschwerden und zusätzlich zur Linderung der Klimakteriumsbeschwerden verordnet werden, auch gut gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose (Knochenschwund) und gegen Altersdemenz sind.

Im Sommer 2002 mussten 16.000 Teilnehmerinnen die WHI-Studie abbrechen. Es waren die, die nicht allein Östrogen, sondern ein Kombinationspräparat aus Östrogen und Gestagen erhalten hatten. Eigentlich sollte die Studie bis 2005 fortgesetzt werden. Der Grund für den Abbruch: Die Häufigkeit von Brustkrebs und Herzinfarkten hatte zugenommen.

Bei der Studie mit dem Kombipräparat aus den USA waren, hochgerechnet auf 10.000 behandelte Frauen, 7 zusätzliche Fälle von Herzkrankheiten und je 8 zusätzliche Fälle von Brustkrebs, Schlaganfall sowie Lungenembolie aufgetreten. Allerdings verringerte sich die Zahl der Darmkrebsfälle um 6 pro 10.000 Frauen und die der Oberschenkelhalsbrüche um 5.

Als Konsequenz muss in den USA seit Anfang 2003 eine Warnung auf den Beipackzetteln von Hormonersatzpräparaten, die das weibliche Sexualhormon Östrogen enthalten, stehen. Auf der Verpackung muss vermerkt sein, dass die Präparate das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Brustkrebs erhöhen.

In Deutschland nahm der Arbeitskreis des Berufsverbandes der Gynäkologen den Abbruch der Studie zum Anlass, 12.000 niedergelassene Gynäkologinnen und Gynäkologen in einem Fax zu informieren, dass der Abbruch der Studie in den USA für die Verschreibung von Hormonen in Deutschland nicht dramatisiert werden dürfe. Die Zusammensetzung der Hormone hierzulande sei anders, außerdem seien die Frauen, die an der Studie teilgenommen hätten, älter als die, die hier wegen Wechseljahrsbeschwerden behandelt würden. Finanziell unterstützt haben die Faxaktion die Pharmafirmen Jenapharm und Schering.

Der bundesweite Arbeitskreis Frauengesundheit (AKF) fand es „befremdlich und wenig hilfreich für die Frauen und ihre FrauenärztInnen“, wie der Berufsverband reagierte. „Die Ergebnisse der amerikanischen Studie wurden in ihrer Bedeutung für Deutschland eher heruntergespielt und die Risiken der Hormonersatztherapie als übertrieben dargestellt.“

Den Pharmafirmen brechen nun nach und nach die Argumente weg. Die Annahme, Hormone senkten zumindest das Demenzrisiko, ist nun zu hinterfragen. Denn Anfang Juni wurden neue Ergebnisse der WHI-Studie veröffentlicht, die besagen, dass das Demenzrisiko mit Hormoneinnahmen gestiegen sei und mit zunehmendem Alter der Patientin noch weiter steige.

Und noch ein Argument der Pharmafirmen und Mediziner muss nun hinterfragt werden. Die deutsche Ärzteschaft hatte noch im Juni 2002, nachdem die Studie abgebrochen worden war, öffentlich erklärt, hormonempfindliche Tumore seien weniger gefährlich, da sie sich seltener in andere Körperregionen ausbreiten. Außerdem könne der Tumor durch das beschleunigte Wachstum früher erkannt und entfernt werden, bevor er sich im Körper ausgebreitet habe. Die Heilungsaussichten von Tumoren, die unter einer Östrogentherapie entstehen, seien daher deutlich besser. Da sich hormonbehandelte Frauen regelmäßig frauenärztlich untersuchen lassen, werden diese Tumore üblicherweise auch früher erkannt.

Diese Annahme ist nun durch eine Veröffentlichung im Journal of the American Medical Association (JAMA) in Frage gestellt. Die allerneuesten Ergebnisse der WHI-Studie (die Frauen werden auch nach dem Abbruch noch weiter beobachtet) zeigen, dass das Gegenteil der Fall ist: Der Brustkrebs bei Probandinnen der Studie tritt nicht nur gehäufter auf, er ist auch aggressiver und streut schneller in benachbarte Lymphknoten.

Auf Nachfrage der taz erklärte die Pressesprecherin der Schering AG in Berlin, Astrid Forster, Schering halte selbstverständlich trotz der neuen Ergebnisse immer noch an der Hormonersatztherapie fest. Schering habe immer noch Zweifel an der Fundiertheit der WHI-Studie. Und selbst wenn man die Studie akzeptiere, sei die Mortalitätsrate der beobachteten Frauen gering.

Forster weist darauf hin, dass es zudem Studien gebe, die kein Brustkrebsrisiko bei Hormoneinnahme feststellten. Außerdem betont sie, dass die erhöhten Brustkrebszahlen aus der Studie immer noch sehr gering seien. „Auch wenn Frauen durch diese Ergebnisse verunsichert sind – und das ist beim emotional belegten Thema Brustkrebs schnell der Fall“ –, so Förster, „bei Beschwerden in den Wechseljahren kommen sie doch wieder zu der Hormontherapie zurück, da diese die effizienteste ist.“

Trotz dieses Selbstbewusstseins kann es für Pharmafirmen demnächst eng werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bietet zurzeit den pharmazeutischen Unternehmen Gelegenheit zu einer Stellungnahme, bevor über eine endgültige Zulassungsänderung der Hormonersatztherapie entschieden wird. Die Verschreibung von Hormonen hat sich im letzten Jahr um 18 Prozent verringert. Die Osteoporoseprophylaxe wäre ein letztes Pro-Argument, das die Pharmalobby für ihre Hormonersatzmedikamente anführen kann: Doch als Osteoporoseprophylaxe wird die Hormonersatztherapie nach Ansicht des BfArM wahrscheinlich nicht weiter angewendet werden.