Prozess gegen Polizei in Genua beginnt

Italienische Justiz urteilt über Polizeigewalt gegen Kritiker des G-8-Gipfels von 2001: Polizisten wird schwere Körperverletzung, falsche Anschuldigung, üble Nachrede sowie Fälschung von Beweisen vorgeworfen. Suspendiert wurde bisher niemand

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Fast drei Jahre nach dem G-8-Gipfel von Genua wird heute der Prozess gegen 29 Polizisten eröffnet, die am Sturm auf eine als Schlafstätte von Gipfelgegnern dienende Schule beteiligt waren. Jener Sturm auf die Scuola Diaz in der Nacht des 21. Juli war der brutale Abschluss einer langen Kette von Polizeiübergriffen während der G-8-Tage gewesen, die hunderte Verletzte und mit dem von einem Beamten erschossenen Carlo Giuliani einen Toten gefordert hatten.

Der nächtliche Großeinsatz war seinerzeit als Offensive gegen den angeblich in der Scuola Diaz hausenden „schwarzen Block“ dargestellt und mit vorgeblichen Steinwürfen gegen patrouillierende Polizeiwagen gerechtfertigt worden. Was den Medien als Razzia verkauft wurde, entpuppte sich aber vom ersten Moment an als polizeiliche Gewaltorgie.

93 in der Schule Schlafende wurden zusammengeschlagen und verhaftet. Mehr als 60 hatten schwere bis schwerste Verletzungen, die von Knochenbrüchen, Gehirnerschütterungen, ausgeschlagenen Zähnen hin zu Schädeltraumata und Lungenperforationen reichten.

Die Gewalt sei nötig gewesen, um den Widerstand zu brechen, so die Polizei. Schließlich sei einer ihrer Beamten mit einem Messer attackiert worden, seien dann in der Schule Molotowcocktails und zahlreiche andere Waffen gefunden worden. Die Staatsanwaltschaft zog entgegengesetzte Schlüsse. Alle Ermittlungen gegen die in der Schule als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung Verhafteten wurden wegen erwiesener Unschuld eingestellt. Stattdessen werden nun zahlreiche Polizisten angeklagt. Sie müssen sich nicht nur wegen schwerer Körperverletzung verantworten, sondern auch wegen falscher Anschuldigung, übler Nachrede sowie der Fälschung von Beweisen.

Die Anklage geht davon aus, dass der Polizeieinsatz ein einziges großes Fälschungsmanöver war: Erfunden waren die Steinwürfe vor der Schule, erfunden war die Messerattacke auf den Polizisten beim Sturm, selbst mitgebracht hatte sich die Polizei die zwei Molotowcocktails – Videos und Geständnisse belegen das eindeutig.

Zahlreiche damals verletzte Protestierer wollen sich deshalb als Nebenkläger konstituieren. Auch aus Deutschland reist eine größere Gruppe von Polizeiopfern zum Prozessauftakt an. So stark die angeklagten Beamten, unter ihnen hochrangige Befehlshaber, durch Sachbeweise, Zeugenaussagen von Opfern, aber auch von Polizisten belastet sind, so sind alle dennoch weiter im Dienst. Mehrere haben gar seit 2001 weitere Stufen auf der Karriereleiter erklommen.

Kurz vor der Beginn steht auch der Prozess gegen 47 Beamte, die in der Polizeikaserne Bolzaneto die dort eingelieferten festgenommenen Demonstranten während der Gipfeltage systematisch misshandelt haben sollen. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft auch wegen zahlreicher Übergriffe von Polizisten während der damaligen Straßenschlachten in der Stadt.