Zahl der Woche
: Stählerner Engpass: Bundesbank muss um Kleingeld betteln

1,3 Milliarden

Deutsche, hortet euer Kleingeld nicht! Der verzweifelte Aufruf der Bundesbank verfolgte uns in dieser Woche bis auf die Bildschirme in Berliner U-Bahnen. Geschätzte 1,3 Milliarden Ein-, Zwei- und Fünf-Eurocent-Stücke fehlen derzeit an den Kassen deutscher Einkaufsläden. Das sind umgerechnet etwa 16 Münzen pro Kopf. Die Bundesbank mutmaßt, Sparschweine und Portemonnaies hätten das Kupfer vertilgt. Weil sie nicht mehr liefern kann, ließ der Handelskonzern Metro schon Lastwägen voller Kleinmünzen aus Österreich importieren.

Ob man mit derartigen Manövern wieder ausreichend Kleingeld in die Kassen bekommt, ist fraglich. Rund 1.000 Tonnen schwere Münzladungen wären dazu nötig, schätzt ein Hersteller von Münzplättchen. Ein Transport mache wegen teurer Versicherungen und hoher Spritkosten wenig Sinn. Hinzu kommt, dass auch andere Euroländer nicht im Kleingeld schwimmen.

Da freuten sich die Bundesbank-Kritiker. Die Bundesbank nehme eine der wenigen ihr verbliebenen Aufgaben nicht wahr, war im Spiegel zu lesen und aus dem Einzelhandel zu hören – die Aufgabe nämlich, die Republik mit Bargeld zu versorgen.

Kleingeldmünzen zu bestellen, ist aber Aufgabe des Bundes. Die Bundesbank sagt die deutsche Kleingeldnachfrage nur vorher und bringt die Münzen später in Umlauf. Für die Vorhersage verwenden ihre Forscher ausgetüftelte statistische Methoden. Sie bedenken die wirtschaftliche Entwicklung genauso wie die Zigarettenautomatenaustattung unserer Republik.

Offenbar war die Nachfrage nach kleinen Euromünzen jedoch schwer vorherzusagen: Die Deutschen horten Eurocents nämlich scheinbar noch lieber als Pfennige. Infolgedessen hat sich die Bundesbank bei ihrer Prognose der Kleingeldnachfrage geirrt. Die Bundesregierung bestellte daraufhin für 2004 weniger Münzplättchen für die Münzprägeanstalten.

Hinzu kommt ein zweites Problem: der internationale Stahlmarkt. Für die kupfernen Kleinmünzen, die im Kern aus Stahl bestehen, fehlt schlicht das Material. Seit März 2003 habe die Bundesregierung 3,27 Milliarden Stück bestellt, 1 Milliarde sei jedoch noch nicht geliefert worden, hieß es aus dem Bundesfinanzministerium.

Ein Rohlinghersteller bestätigte, er könne nicht ohne Verluste liefern, weil sich die Preise von Stahl im vergangenen Jahr verdoppelt hätten. Nun warten die fünf deutschen Münzprägeanstalten auf die Münzrohlinge.

Die Regierung könnte die Kleingeldkrise beenden, indem sie den Münzrohlinglieferanten mehr zahlt. Aber die Verträge mit den Lieferanten wurden zu einem Zeitpunkt abgeschlossen, zu dem die Entwicklung der Stahlpreise noch nicht abzusehen war. Jetzt pocht der Bund auf sein Recht, Eurocents zum gleichen Preis nachzubestellen.

MICHAELA KRAUSE