Im Inneren der Lavalampe

Residenz eines Comic-Monarchen? Anleger für das Yellow Submarine der Beatles? Oder Ferienwohnung für Teletubbies? Jedenfalls geht der Oldenburger Kultursommer mit aufblasbarer Architektur in seine letzte Runde. Nächstes Jahr wird gespart

Erleichterung trotz der Einschnitte: Der „Kultursommer“ wird eingedampft, aber nicht eingestampft

Aus Oldenburg Christoph Kutzer

Bunte Plastikwülste ragen vor dem ehrwürdigen Oldenburger Schloss in den Sommerhimmel, eine pneumatische Formenwelt, die wirkt wie die wie die aufblasbare Residenz eines Comic-Monarchen. An den Erkern eines solchen Bauwerks hätten die Beatles ohne weiteres ihr Yellow Submarine vertäuen können.

Heute wären die 800 Quadratmeter Kunststoffarchitektur eine ideale Ferienwohnung für die Teletubbies. Nun, erstere haben nachweislich mit bewusstseinserweiternden Substanzen experimentiert, letztere erwecken zumindest den Eindruck ständiger Bekifftheit. „Levity“, die Skulptur der 1993 gegründeten britischen Künstlergruppe „Architects of Air“, die nun im Rahmen des Kultursommers in Oldenburg zu sehen ist, gleicht einem begehbaren Trip.

Warm ist es im Inneren, mindestens 30 Grad. Das macht dem Besucher jedoch weit weniger zu schaffen als der orangefarbene Nebel, durch den ein strahlendes Blau hindurchleuchtet. So ähnlich muss es sein, wenn man in einer Lavalampe taucht.

Doch damit ist die Fülle an Assoziationen noch längst nicht erschöpft: Die fünf unterschiedlich großen Hallen des plastilinen Bauwerks, die Luft-Architekt Richard Spiby als „Dome“ bezeichnet, sind spürbar an organische Formen angelehnt. Entsprechend kann man frei entscheiden, ob man sich im Inneren eines Blutgefäßes oder einer Stachelbeere wohler fühlt. Spiby selbst nennt einen völlig anderen Bezugspunkt: die Dekors des Science-Fiction-Kultstreifens „Barbarella“.

Der stammt aus dem Jahre 1967. Damals machte, während Jane Fonda kurvenreich durch den Weltraum düste, auf der Erde eine Band namens The Velvet Underground mit gebogenem Obst von sich reden. Andy Warhol hatte das berühmte Bananen-Cover entworfen.

Unter den Musikern befand sich ein gewisser John Cale, der Ende Juni ebenfalls auf dem Oldenburger Schlossplatz war. Das bunte Licht bei ihm hing freilich – wie auch bei Hubert von Goisern, den „Fehlfarben“ und den weiteren Bands, die dort in der Frühphase des Kultursommers auftraten – über der Bühne.

Was die Konzerte angeht, haben die Macher noch einmal so richtig in die Vollen gelangt. Im kommenden Jahr nämlich werden wohl nur noch vier große Musikveranstaltungen finanzierbar sein.

Bernt Wach, der künstlerische Leiter der Kulturetage, die das Kulturamt der Stadt vor fünf Jahren als Veranstalter des Kultursommers ablöste, ist trotz der künftigen Einschnitte sichtlich erleichtert, dass das Kulturfestival überhaupt weiterhin regelmäßig stattfinden kann. Schließlich hatte auch die Reduzierung auf einen Zwei-Jahres-Turnus gedroht. „Das hätte uns Sponsoren gekostet“, meint Wach. Die aber sind unverzichtbar geworden. Rund 300.000 Euro verschlingen die 80 Veranstaltungen dieses Jahres. Da die Stadt, die bislang ein Drittel der Kosten trug, ihren Zuschuss um 25 Prozent senkt, wird es in Zukunft vor allem eines nicht mehr im gewohnten Maße geben können: kostenlose Kultur.

Dabei hat die Möglichkeit, zwanglos zu einem Konzert oder einer Lesung pilgern und unentgeltlich genießen zu können, entscheidenden Anteil am speziellen Festival-Flair. Wo sonst könnte eine Autorin wie Christina Griebel so viel Publikum ziehen, dass die Sitzplätze nicht ausreichen? Bei sommerlichem Wetter mauserte sich ihre Lesung zu einer Art Literatur-Picknick – ein reizvoller Gegensatz zum Titel ihres Buches: „Wenn es regnet, dann regnet es immer gleich auf den Kopf“. Ihr Oldenburger Erfolg zeigte, wie Berührungsängste mit der „Hochkultur“ abzubauen sind.

Dieses Potenzial hatte auch die diesjährigen Eröffnungsveranstaltung, das erste Open-Air-Konzert des Oldenburgischen Staatsorchesters. Leider gingen die Klangfarben der populären Klassik-Hits von Rossini bis Wagner zwischen dem Gemurmel der Menschenmenge, Straßengeräuschen und Bierdosenzischen unter. Niemand hatte bedacht, dass es nötig sein könnte, die Musiker künstlich zu verstärken. Der Unmut der Oldenburger ob dieses akustischen Desasters war entsprechend groß, die Reaktion von Seiten des Staatstheaters enttäuschend: Man denke über eine Verlegung in den Schlossgarten nach, sagte der Intendant – wo dann für Publikum musiziert werden solle, dem die Musik immerhin „zwei bis drei Euro“ wert sei.

Mittlerweile hat sich der Ärger über den verpatzten Auftakt gelegt. Die meisten Oldenburger sind mit dem Angebot überaus zufrieden. „Wir kriegen eine Menge Fanpost“, bestätigt Bernt Wach. Das beflügele die Arbeit, die durch das gekürzte Budget nicht eben einfacher wird. Dennoch: Die ersten Vorbereitungen für den Kultursommer 2004 sind bereits im Gange.