„Das Recht, zu verlieren“

Bixente Lizarazu über die französische Nationalmannschaft, ihr überraschendes EM-Aus gegen Griechenland und das mögliche Ende einer glorreichen Generation

taz: Herr Lizarazu, wie ist die Gefühlslage?

Bixente Lizarazu: Wir sind traurig, enttäuscht, frustriert, und ich mache mir Vorwürfe wegen meines Fehlers beim Gegentor. Wir hatten sicher die Mittel, etwas weiter zu kommen. Nach dem frühen Aus bei der WM wollten wir eigentlich zeigen, dass wir zurück sind.

Schon in den Gruppenspielen aber konnte die Mannschaft nicht überzeugen …

Man kann sich immer vorstellen, besser zu spielen. Aber die französische Equipe wird auch zu sehr idealisiert. Man stellt an uns immer den Anspruch, perfekt zu sein. Doch wir sind nicht alleine auf der Fußballwelt. Unser Spiel wird am meisten studiert. Die anderen finden Paraden, um unsere Qualitäten zu durchkreuzen. Wir versuchen, darauf mit neuen Lösungen zu antworten. Das hat eine Zeit lang geklappt, hier nicht mehr.

Vom Niveau bei den Titelgewinnen 1998 und 2000 war die Mannschaft aber doch meilenweit entfernt.

Auch damals gab es kritische Momente. Die wurden nur schnell vergessen, und es hieß: Oh, die französische Nationalelf ist einfach fabelhaft! Dabei ist es ist immer auch ein Lotteriespiel, auf diesem Niveau entscheiden oft Details. Auch gegen Griechenland hatten wir doch unsere Torchancen. Wir hätten auch gewinnen können.

Hat die Mannschaft die Öffentlichkeit durch die Triumphe also zu sehr verwöhnt?

Wir haben die Messlatte sehr hoch gelegt. Erfolge zu bestätigen ist immer schwieriger als sie zu erreichen. Dass wir damals gewonnen haben, heißt nicht, dass es immer so sein muss. Auch wir haben das Recht, zu verlieren. Ich habe den Eindruck, dass wir uns hier bis zum Schluss festgekrallt und das Maximale getan haben.

Dennoch schlugen Sie zwischendurch Alarm. In einem Interview haben Sie Veränderungen angeregt, was Trainer Santini nicht sehr gefallen hat.

Das war eine Fehleranalyse, der Versuch einer Eigenkritik. Wenn Spieler so etwas machen, sollte man das respektieren und daraus keine bescheuerten Geschichten stricken und behaupten, im Team herrsche Chaos.

Anschließend wurde in Frankreich berichtet, der Coach hätte die Macht verloren.

Dabei wollte ich nur sagen, dass wir uns steigern müssen. Ich habe nur laut darüber nachgedacht, wie wir uns verbessern können. Unter uns hat alles sehr gut funktioniert, die Stimmung war in Ordnung. Auch mit dem Trainer hat es gut geklappt.

Ist es das Ende einer Generation?

Mal sehen. Einige von uns sind schon eine Zeit lang dabei, das stimmt. Wir haben viel erlebt, wunderschöne Erfolge, aber auch Niederlagen. In einer Laufbahn gibt es ja nicht nur Kaviar. Jetzt wird jeder Einzelne seine Entscheidungen zu treffen haben.

Werden Sie zurücktreten?

Ich habe noch nicht mal meine Zukunft im Klubfußball beschlossen, deshalb kann ich zur Nationalmannschaft noch viel weniger sagen. Ich habe im Moment keine Ahnung, wo ich hingehe oder ob ich überhaupt noch irgendwohin gehe.

INTERVIEW: RALF ITZEL