Studierende an der Oder bald sprachlos

Die deutsch-polnische Universität in Frankfurt an der Oder kürzt die Sprachkurse – kurz vor dem Beitritt Polens zur EU

FRANKFURT (ODER) taz ■ Sie wird als akademische Brücke in den Osten gepriesen. Gern verweisen Politiker im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung auf die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder. Hier studieren Deutsche und Polen längst gemeinsam. Doch ausgerechnet an der deutsch-polnischen Vorzeigeuniversität könnte demnächst die Zahl der Polnischkurse verringert werden. Selbst die Erhebung von Gebühren für den Besuch der Sprachkurse schließt die Präsidentin der Hochschule, Gesine Schwan, nicht mehr aus.

Bisher hat die Hochschule ihr Sprachenzentrum von allen Kürzungen verschont. Das jedoch wird künftig kaum möglich sein. Die Ursache sind Kürzungen im Hochschuletat des Landes Brandenburg und die daraus folgenden schlechten Finanzen der Uni. Allein im Vorjahr hat die Hochschule ein Defizit von 400.000 Euro angehäuft. Auch dieses Jahr ist ein großer Teil des Budgets schon verbraucht. Obendrein hat das Kultusministerium für den Rest des Jahres Einsparungen von weiteren 3 Prozent verordnet – mit Konsequenzen für das Sprachangebot.

Als Erstes wird wohl Finnisch gestrichen werden. Für alle anderen Kurse, also auch für Polnisch, gilt laut Schwan: „Wir werden nicht darum herumkommen, Gebühren zu erheben, wenn die Sprache nicht obligatorisch ist.“ Ob eine Sprache kostenlos oder überhaupt noch unterrichtet wird, hängt also vom Curriculum der nächsten Semester ab. Noch wird verhandelt, ob die Sprache des Nachbarlandes für einen Absolventen der grenznahen Uni verpflichtend ist.

Alles deutet darauf hin, dass ein Teil der Kurse zumindest vorübergehend gestrichen wird. „Wir müssen überall runter“, sagt Schwan. Das gelte besonders für die Zeit zwischen Oktober und Dezember, wenn für das laufende Jahr kein Geld mehr übrig ist. Solche Einschnitte treffen die Universität ausgerechnet vor dem EU-Beitritt Polens im kommenden Frühjahr. Seit der Wiedergründung der Hochschule vor zwölf Jahren steigt die Zahl ausländischer Studenten, inzwischen sind es mehr als an jeder anderen deutschen Hochschule. Von den 4.300 Studierenden kommen 1.440 aus Polen und 360 aus dem übrigen Ausland.

Die drohende Kürzung bei den Sprachkursen gefährdet den deutsch-polnischen Austausch umso mehr, als Frankfurt (Oder) ohnehin unter dem Fehlen eines wirklichen Studentenlebens leidet. Betrieb herrscht an der Viadrina nur von Dienstag bis Donnerstag. Das verlängerte Wochenende verbringen viele deutsche Studenten in Berlin, ihre polnischen Kollegen fahren zurück in die Heimatorte. Richtig bilingual geht es in der Grenzstadt nicht zu, das zeigt auch die Nachfrage nach Sprachkursen. Polen wie Deutsche stürzen sich auf Englisch und Spanisch. Für beide Sprachen gibt es je mehr als 40 Kurse pro Semester. Polnisch wird nur in 16 Gruppen unterrichtet. Geht es nach dem Interesse der Studenten, steht es also schlecht um die polnischen Sprachkurse. Vielleicht müssen sich Polen und Deutsche in ihren Seminaren künftig auf Spanisch verständigen. MAREKE ADEN