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Kölschwampe hält jeden Elfer

Duell der Thekenbrüder und Linken: Im Endspiel des Südstadt-Fußballturniers auf den Poller Wiesen schlägt „Avanti Bumm Bumm“ den „Khinita Amateur Club“ mit 2:1 durch Elfmeterschießen

Von INGE BRUNNER

Alles ist etwas anders an diesem schwülen, windigen Sonntag Nachmittag auf den Poller Wiesen: Ein Spiel dauert nicht 90 Minuten, sondern nur 12. Nicht 11 Männer formen eine Mannschaft, sondern 7. Und die Abseitsregel gilt auf den kleinen Spielfeldern auch nicht. Nur der Ball ist immer noch rund und die 28 Teams mit Namen wie „Kickende Kurfürsten“, „Kalaschnikow Friedenspark“, „Los Cerrados“ und „Avanti Bumm Bumm“ sind angetreten, um den Wanderpokal zu gewinnen.

Es herrscht eine Atmosphäre zwischen Volksfest und Familientreffen, die Verpflegungszelte bieten Grillfleisch, Kuchen und Kölsch an. Manche Gesichter sind sonnengebräunt, andere biergegerbt: Am Südstadt-Fußballturnier beteiligen sich traditionell viele Kölner Thekenmannschaften, aber auch linke Splittergruppen.

Grüne dürfen mitspielen

Um 15 Uhr 17 ist Anpfiff für das politische Spiel des Tages: die „Radikale Linke“ gegen die „Grünen Köln“. „Sie wollten halt mitspielen und haben auch das Startgeld bezahlt, also warum sollte ich die Grünen nicht antreten lassen“, rechtfertigt Reiner Schmidt, einer der drei Organisatoren des Turniers, die Zulassung der Rathaus-Mitregenten. Es hatte Befürchtungen gegeben, die Grünen seien bei manchen radikalen Teams nicht gelitten. Doch die Auseinandersetzung wird sportlich ausgefochten: 12 Minuten später steht es 1:0 für die Radikale Linke – „endlich gewinnt mal Klasse statt Masse“, so Schmidt. Keine der beiden Mannschaften schafft es aber über die Gruppenspiele hinaus.

Doch von wegen, Linke hätten keinen Ehrgeiz: Viele Teams treffen sich einmal wöchentlich zum Trainieren. Auch der „Streikposten HBB Leverkusen“ legt sich mächtig ins Zeug. Die Busfahrer kicken in signalgelben Verdi-Trikots – mit gutem Grund, denn sie streiken schon seit Januar für einen neuen Tarifvertrag. Die HBB (Herweg-Busbetriebe) sind ein Tochterunternehmen des Nahverkehrsunternehmens Wupsi, das seinerseits der Stadt Leverkusen und dem Rheinisch-Bergischen Kreis gehört. Anders als die direkt bei Wupsi angestellten Busfahrer werden die HBB-Fahrer nur nach dem Tarif des privaten Omnibusgewerbes bezahlt – was ein monatliches Minus von mehreren hundert Euro im Portemonnaie bedeutet. Das HBB-Management will nach fast einem halben Jahr Streik die Gewerkschaft nicht mit an den Verhandlungstisch lassen.

Ein Sieg würde den Dauerstreikern also auch symbolisch gut tun, zumal das Motto dieses Turniers lautet: „Gegen Niedriglöhne hier und anderswo“. Beim Spiel der Streikposten gegen das punkige „Grauzone“-Team treffen zwei Lebenshaltungen aufeinander: „Hey, seht das ganze doch mehr als Spiel“, ruft ein schon nicht mehr ganz nüchterner Grauzonler den heißspornigen HBBlern zu.

„Manchmal kommt bei allen Spielern halt das Kind raus, und das will gewinnen“, sagt Schiedsrichter Volker Langenbach. Sein Kollege Cedric Bergmann ergänzt: „Es gibt hier auch Fouls, aber eigentlich wird fairer gespielt als üblich.“ Von spielbedingten Verletzungen haben sie heute noch nichts gehört. „Einer hat sich den Daumen aufgeschnitten, aber nur, weil er eine Melone zerteilen wollte.“

Die beiden ausgebildeten Schiedsrichter arbeiten ehrenamtlich, wie alle, die an diesem Benefiz-Turnier teilnehmen. Die Kosten werden vom Startgeld der Mannschaften gedeckt – 50 oder 75 Euro, je nachdem, ob es eine Privatgruppe oder eine Kneipe ist. Am Ende bleibt erfahrungsgemäß ein Überschuss von rund 3.000 Euro. Diesmal gehen davon 500 Euro an die HBB-Streiker – für ein Betriebsfest. Den großen Rest bekommt das Flüchtlingsprojekt „Segundo Montes“ in El Salvador. Dort haben zurückgekehrte Bürgerkriegsflüchtlinge ein Dorf gegründet. Das Geld soll in ein Jugendzentrum und in die Schulausbildung für Waisen fließen.

Zu kleine Tore

Schon bei den Viertelfinalen wird klar: Viele Spiele enden 0:0 und müssen mit einem 7-Meter-Schießen entschieden werden. Die Erklärung ist schnell gefunden: zu kleine Tore! Was klingt wie ein Witz, hat einen simplen Grund. Man nahm einfach die Tore, die schon auf den Poller Wiesen waren. Und die haben eher Kindergröße.

Endlich können die Thekenmannschaften ihren Vorteil ausspielen. Denn wer sich als Torwart in jahrelangem zähen Training eine voluminöse Kölschwampe angetrunken hat, füllt den Kasten schon fast von selbst. Jede Mannschaft hat zunächst drei Versuche, danach zählt jeder einzelne Schuss. „Im Fernsehen machen die mehr rein“, kommentiert ein Zuschauer fachmännisch. Und dass die EM in den Köpfen präsent ist, wird spätestens klar, als ein versäbelter Siebenmeter hämische „Beckhaaam“-Rufe erntet.

Im Endspiel des Südstadt-Turniers stehen sich der favorisierte „Khinita Amateur Club“ (KAC) und „Avanti Bumm Bumm“ gegenüber. Die marokkanische Mannschaft KAC hatte schon im letzten Jahr den zweiten Platz gemacht. Avanti Bumm Bumm existierte zu der Zeit nur als „Bumm Bumm Q-Hof“ und schaffte es nicht in die Finalrunden. Letzten Herbst fusionierten die Q-Hofler mit „Avanti Dilettanti“. Im Spiel fällt kein Tor, wieder muss die Entscheidung ausgeschossen werden. Und hier macht Avanti seinem Namensanhängsel alle Ehre und ballert dem KAC zwei rein: Endstand 2:1.

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