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ein tänzchen für den formel-1-gott von RALF SOTSCHECK

Herrje, wie peinlich. Da hatte man gedacht, dass alle irischen religiösen Wirrköpfe eingefangen und ruhig gestellt seien, da rennt ein Priester aus der südwestirischen Grafschaft Kerry am vorvergangenen Wochenende auf die Formel-1-Rennstrecke im britischen Silverstone, um die Botschaft Gottes zu verkünden.

Pfarrer Neil Horan trug einen orangefarbenen Rock, eine weiße Bluse sowie einen grünen Umhang und grüne Kniestrümpfe – das traditionelle Tanzkostüm in den irischen Farben, damit auch gar kein Zweifel über seine Herkunft aufkommen konnte. Mit der linken Hand schwenkte er ein Plakat. „Lest die Bibel“, stand darauf, „die Bibel hat immer Recht.“ Fast hätte er das überprüfen können, denn einige der Rennautos, die mit 300 Kilometern pro Stunde die lange Gerade entlangrasten, konnten ihm nur knapp ausweichen.

Der 56-jährige Horan hat sich auf werbewirksame Auftritte spezialisiert. Vor sechs Monaten schrieb er an Saddam Hussein und bot ihm an, vor ihm und seiner Familie einen Friedenstanz – einen irischen Jig – vorzuführen, damit alles gut werde. Der irakische Diktator hatte genug Probleme und lehnte dankend ab, und so hüpfte die Knalltüte stattdessen vor dem Londoner Unterhaus herum. Ein paar Jahre zuvor hatte er seinen Tanz auf der Pferderennbahn in Newbury vollführt, um Freude in der Welt zu verbreiten. Nun ja, zumindest haben alle herzlich gelacht.

Horan stammt aus dem Dörfchen Knockeenahone. Er hat zwölf jüngere Geschwister. Mit 16 beschloss er, Pfaffe zu werden, 9 Jahre später war es so weit. 1988 machte er zum ersten Mal Schlagzeilen, als er mit dem Fahrrad von Dublin nach Belfast fuhr und unterwegs in jeder Stadt und in jedem Dorf seinen Friedenstanz aufführte. Das machte seine Vorgesetzten misstrauisch. Sie baten ihn, sich psychiatrisch untersuchen zu lassen. Der Arzt, ebenfalls aus Kerry, bescheinigte ihm einen ziemlich klaren Verstand. Die katholische Kirche suspendierte ihn dennoch vom Dienst, und seitdem hat er noch mehr Zeit zum Tanz. Möglicherweise hat er sich von „Riverdance“ inspirieren lassen, jenem grauenhaften Tanzspektakel mit Jean Butler und Michael Flatley, das den Bewohnern der Grünen Insel den Ruf einbrachte, ein Volk von ständig betrunkenen, tanzenden Kobolden zu sein. Horans Auftritt in Silverstone ist nicht dazu geeignet, diesen Eindruck zu korrigieren.

Was tun sie den irischen Pfaffen bloß in den Tee? Anfang der Achtzigerjahre hatte jemand ein Flugzeug in Spanien entführt. Seine einzige Forderung: die Enthüllung der dritten Prophezeiung Fatimas. „Das kann nur ein Ire sein“, sagte meine Gattin Aine damals. Sie hatte Recht. Der irische Pfarrer gab irgendwann auf und wurde in einer ärmellosen weißen Jacke abgeführt, ohne Fatimas Geheimnis gelüftet zu haben.

Wo soll das alles enden? Vielleicht kann man Horan, Butler und Flatley aber auch lohnend einsetzen. Man könnte den Schurkenstaaten dieser Welt damit drohen, die drei tanzenden Trottel zu entsenden, falls sie nicht die Waffen strecken.

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