DEMOKRATEN HABEN GEWONNEN – NATIONALISTEN NOCH NICHT VERLOREN
: Neuer Anfang in Serbien

Mit der Wahl von Boris Tadić wird nicht nur das Reformlager in Serbien insgesamt gestärkt, sondern auch der Wunsch der Repräsentanten der EU, der USA und der Nato nach einem moderaten Verhandlungspartner erfüllt. Serbien kann nun wieder ernst genommen und in das Geflecht von internationalen Institutionen eingebunden werden. Weiterhin wird die seit Jahren schwelende Verfassungskrise mit der Wahl des Präsidenten beendet.

Das klingt doch alles ganz gut. Doch dass bei diesen entscheidenden Richtungswahlen nur 48 Prozent an die Urnen gingen, ist der Wermutstropfen in der politischen Gemengelage in Belgrad. Das nationalistisch-faschistische Lager um die Radikale Partei braucht sich noch nicht geschlagen zu geben. Sie weiß um die Widersprüche im Regierungslager und hofft auf die Fortsetzung des Streits dort. Bei vorgezogenen Parlamentswahlen will sie bei den Nichtwählern punkten und würde wahrscheinlich wieder die stärkste der Parteien.

Es liegt nun an der Vernunft von Ministerpräsident Vojislav Koštunica, endlich den Streit mit der Demokratischen Partei seines Vorgängers Zoran Djindjić zu beenden. Boris Tadić ist unverbraucht, war nicht beteiligt an den Grabenkämpfen der Vergangenheit und kann nichts für den an Hass grenzenden Zwist zwischen Djindjić und Koštunica. Wenn Koštunica sich mit der Demokratischen Partei verbünden würde, wären er und seine Serbische Demokratische Partei im Parlament auch nicht mehr angewiesen auf die Stimmen der Sozialisten des Slobodan Milošević. Das wäre doch was.

Doch leider ist die Vernunft nicht unbedingt Koštunicas Markenzeichen. Der neue Präsident wird versuchen müssen, die Atmosphäre zwischen den Reformkräften und der kleinbürgerlich-nationalistischen Fraktion zu verbessern. Der gemeinsame Wahlkampf war ein Anfang – rückwärts gerichtete Ideologien und alte Xenophobien müssen endgültig überwunden werden. Man kann nur hoffen, dass es der Persönlichkeit Tadić’ gelingt, Koštunica an die Hand zu nehmen und auf den Weg in eine europäische Zukunft zu führen. Leicht wird das nicht. ERICH RATHFELDER