SPD kommt im Osten nicht auf die Beine

Dramatischer als die Verluste der SPD bei den Thüringer Kommunalwahlen ist nur noch das Desinteresse der Wähler

DRESDEN taz ■ Die Thüringer SPD hatte alles aufgeboten, um „stark vor Ort“ zu sein. Mit rund 3.000 Kandidaten ging sie daher in die Kommunalwahlen, das hieß, jedes zweite Parteimitglied bewarb sich um ein Mandat bei den Kommunalwahlen. Am Ende verloren die Sozialdemokraten wieder 9 Prozentpunkte. Mit 12 bis 15 Prozent erhielten sie ein ähnlich schlechtes Ergebnis wie bei der Landtagswahl vor zwei Wochen. Landesvorsitzender Christoph Matschie, der vom dem Bundesbildungsministerium an die Spitze der Landtagsfraktion wechseln wird, entdeckte daraufhin die soziale Gerechtigkeit wieder. „Die Menschen haben zurzeit das Gefühl, dass man nur die Kleinen drankriegt mit den Reformen“, piekste er in Richtung Parteispitze.

Gewinner der Wahl sind erneut die PDS und die auf kommunaler Ebene starken freien Wählervereinigungen. So erreichte beispielsweise in Weimar die Wählergemeinschaft „Weimarwerk“ auf Anhieb den zweiten Platz. Die bereits vor zwei Wochen absehbare Tendenz zu bunteren Stadt- und Gemeinderäten setzte sich auch in Thüringen fort. Hier errangen die Wählervereinigungen mit 35,2 Prozent den größten Stimmenanteil. Die ungelösten Probleme der Wasser- und Abwassergebühren dürften dazu beigetragen haben. Nur in den Kreistagen und Räten der kreisfreien Städte dominiert mit 40,6 Prozent weiterhin die CDU. Ministerpräsident Dieter Althaus bezeichnete die Verluste seiner Union als „nicht so dramatisch“.

In Gera und Jena wurde allerdings die PDS stärkste Fraktion, in Erfurt liegt sie nur knapp hinter der CDU, die ihre absolute Mehrheit im Stadtrat verlor. PDS-Spitzenmann Bodo Ramelow sieht seine Partei nach ihrem vermeintlichen „Sturm auf die Rathäuser“ deshalb schon „in der Mitte der Gesellschaft“ angekommen. Die FDP und die Grünen wiederholten ihre Landtagswahl-Ergebnisse und blieben zum Teil deutlich unter 5 Prozent. Von einem Rechtsruck in der Wählerschaft wie in einigen sächsischen Regionen kann in Thüringen nicht die Rede sein.

Nicht einmal jeder zweite Wahlberechtigte nutzte die Möglichkeit der Stimmabgabe. Von der niedrigen Wahlbeteiligung profitierten disziplinierte Wählerschichten wie die der PDS oder der Bürgerlisten. Das bislang geringste Interesse an einer Wahl in Thüringen wurde von allen Seiten beklagt. Komplizierte Stimmzettel dürften ebenso abschreckend gewirkt haben wie die Tatsache, dass hauptamtliche Bürgermeister erst 2005 zur Wahl stehen. MICHAEL BARTSCH