Wo der Naturschutz strandet

Ausweisung von rund 40 neuen Schutzgebieten an der Westküste Schleswig-Holsteins sorgt für Proteste. Bäderverbände befürchten Einschränkungen des Tourismus, wenn die EU-Forderung nach Schutz wichtiger Ökosysteme erfüllt wird

„Dann müssen wir uns jedes Volleyballturnier am Strand genehmigen lassen“

aus HusumHEIKE WELLS

An der schleswig-holsteinischen Westküste zeichnet sich ein neuer Streit um den Naturschutz ab: Pläne der rot-grünen Landesregierung, Gebiete für das Programm Natura 2000 der Europäischen Union anzumelden, sorgen für Protest. „Wir werden uns nicht wieder etwas überstülpen lassen wie den Nationalpark“, schimpft etwa Uwe Claussen, Bürgermeister der Gemeinde Nebel auf der Insel Amrum (Kreis Nordfriesland). Dort ist der gesamte Kniepsand, der bis zu zwei Kilometer breite und rund zehn Kilometer lange Sandstrand an der gesamten Westseite der Insel, für Natura 2000 vorgesehen. Kritiker befürchten Einschränkungen vor allem für den Tourismus, der nach einer Studie des Nordseebäderverbandes in der Region fast 20 Prozent zum Volksvermögen beiträgt.

Hintergrund der Debatte ist das Anhörungsverfahren zu den geplanten Schutzgebieten. Allein in den beiden Nordsee-Kreisen Dithmarschen und Nordfriesland will die Landesregierung etwa 40 Areale mit insgesamt 75 Quadratkilometern Fläche (entspricht etwa 10.000 Fußballfeldern) für Natura 2000 anmelden, landesweit sind es 240 Gebiete mit rund 510 Quadratkilometern. Das entspräche rund 3,2 Prozent der Landesfläche.

Die Auswahl geschehe auf Drängen der EU-Kommission, der die bisher von Deutschland vorgeschlagenen Schutzgebiete nicht ausreichten, erklärt Claudia Viße, Sprecherin des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums. Mit dem EU-Programm sollen typische und schützenswerte Ökosysteme gesichert werden, und zwar sowohl Vogelschutzgebiete als auch so genannte Flora-Fauna-Habitate (FFH), das heißt Lebensräume für Tiere und Pflanzen.

An der Nordsee sind unter anderem Teilbereiche des Sylter Flughafens betroffen, die gesamte Hallig Langeneß und der Amrumer Kniepsand. „Der ist unsere Existenzgrundlage“, betont Bürgermeister Claussen mit Hinweis auf den Wirtschaftsfaktor Tourismus. Gegen die Ausweisung als Natura 2000-Gebiet werde man „mit aller Macht angehen“. Auch der Vorsitzende des Nordseebäderverbandes, Ingbert Liebing, hat angekündigt, Einschränkungen für den Tourismus werde die Region nicht widerspruchslos hinnehmen.

Die touristische Nutzung der fraglichen Gebiete stehe „überhaupt nicht zur Diskussion“, sagt dagegen Viße: „Bei neuen Projekten muss allerdings überprüft werden, ob sie negative Auswirkungen auf die Natur haben.“

Mit EU-Schutz allerdings würden künftig Sondernutzungen unter Naturschutzaspekten geprüft. Uwe Claussen ahnt Schlimmes: „Da müssen wir uns dann jedes Volleyballturnier am Strand genehmigen lassen.“ Stimmt nicht, sagt Viße. Bei einer Beachvolleyball-WM auf Amrum müsse aber untersucht werden, „welche Auswirkungen dies beispielsweise auf Kegelrobben oder Zwergseeschwalben hat“.