Heute der Mann mit dem Geld

Christian Weber on tour: Der Bürgerschaftspräsident besucht als Chef der Kaisen-Bürgerhilfe soziale Einrichtungen, freut sich über Wohltaten und bedauert Sparzwänge

taz ■ Der Mann sitzt bei einem Schälchen Melone, einer Tasse Kaffee und einem Glas Wasser im Sonnenlicht und blättert in den Wirtschaftsseiten der Welt. Für den Mann im Anzug, der ihm über die Schulter guckt und fragt: „Na, wie steht der Dax?“ hat er nur ein unwirsches „Hmm“ übrig. Christian Weber ist es schon gewohnt: Auch die anderen Gäste der Tagesstätte Wichernhaus waren vor allem irritiert, als er herumging, jedem die Hand gab und sagte: „Christian Weber, Bremische Bürgerschaft.“ Sie schienen nicht so recht zu wissen, was der wollte, der da so freundlich vor ihnen stand. Nur einer erklärte: „Wir können ja mal tauschen, ich geh‘ in die Bürgerschaft, und Sie kommen hierher.“ Christian Weber, Präsident der Bürgerschaft, lachte – was aus dem Angebot wurde, ist nicht überliefert.

Weber besuchte gestern die Tagesstätte für psychisch Kranke als der Mann mit dem Geld: Der Vorsitzende der Wilhelm-Kaisen-Bürgerhilfe ist auf Begutachtungstour, was die Bürgerhilfe alles Gutes tut. Dieser Tage besucht er Einrichtungen der Wohlfahrtspflege. Im Wichernhaus, eine Einrichtung der Inneren Mission, wurden mit knapp 3.000 Euro Bürgerhilfe-Geld ein Internet-Anschluss eingerichtet und vier Fahrräder gekauft.

„Das hätten wir mit den normalen Mitteln gar nicht machen können“, sagt Hans-Jürgen Wiesenbach, Vorstandsvorsitzender der Inneren Mission. Die „normalen Mittel“ sind nämlich nicht sonderlich dicke. Denn die von der Diakonie getragene Innere Mission unterhält von der Bahnhofsmission über ein Altenpflegeheim, das Jakobushaus und diverse Beratungsstellen bis eben zur Tagesstätte für psychisch Kranke eine Reihe von Institutionen, die sowohl von den bremischen Sparzwängen als auch den Folgen der Gesundheitsreform betroffen sein werden. Noch wisse man nicht genau, was auf die Einrichtungen zukomme, so Wiesenbach, „aber wir sind schon sehr skeptisch.“

Im Wichernhaus am Dobben – 1892 erbaut von Heinrich Wätjen, Spross der berühmten Reederfamilie – befinden sich neben der Tagesstätte mit ihren bis zu 70 täglichen Gästen Büroräume, eine betreute Wohngemeinschaft und ein Küchenservice des diakonischen Beschäftigungsträgers „Neue Arbeit“.

„Anheimelnd“ fand Christian Weber die Atmosphäre in dem Haus, „sehr angenehm.“ Nein, eine Gratwanderung sei ein solcher Termin nicht, in dem er als der Mann mit den Spendierhosen auftritt und zugleich doch der Partei angehört, die die Finanzkürzungen zu verantworten hat. Aber Weber unterstrich die Bedeutung von Institutionen wie denen des Wichernhauses und deutete an, was er von Sparorgien im sozialen Bereich hält: „Jeder Politiker muss wissen, was er tut.“ Susanne Gieffers